Michaels Reisetagebuch - Michael Schubert berichtet in seinem Erfahrungsbericht über schwere Missstände in Österreich

Wie verliere ich am besten meine Existenz?

Markus (37) aus Duisburg berichtet über seine Hölle in Wien/Österreich

Markus aus Duisburg hat meinen Bericht im Internet entdeckt und schickte mir daraufhin seinen Erfahrungsbericht aus Österreich. Die Parallelen zu meinen Erfahrungen sind zutiefst erschreckend:

Mein Tag beginnt in einem Zustand, der schwer zu beschreiben ist. Um 6:00 Uhr klingelte der Wecker, um 7:00 sollte ich eigentlich schon zur Heilsarmee unterwegs sein. Auf Grund der starken Medikamente, ohne die ich zwischenzeitlich nicht mehr schlafen kann, komme ich kaum in die Gänge.

Ich sehe mich um und sehe ein Krankenzimmer eines psychiatrischen Krankenhauses in Wien. Ich frage mich, was ich verbrochen habe, dass ich mir das antun muss. Ich habe Angst, ich habe Angst, was der Tag wieder an negativem bringen wird. Gleichzeitig eine gewisse Hoffnung, dass ich aus diesem üblen Alptraum irgendwann doch noch erwachen werde.

Mein Name ist Markus Sch., ich bin deutscher Staatsangehöriger. 37 Jahre alt und befinde mich seit August 2007 in Österreich.

Wie komme ich hierher? Ganz einfach. Wenn Sie seit Jahren trotz einer ordentlichen Berufsausbildung zum Speditionskaufmann keine Arbeit finden, trotz aller denkbaren Bemühungen an der Situation etwas zu ändern, ständig auf Grund des Verhaltens der deutschen HARTZ-IV-"Behörden" auf die Schnauze fallen, nehmen Sie als "normaler" Mensch alles in Kauf um endlich wieder ein "normales" Leben führen zu können.

Zwischenzeitlich frage ich mich allerdings, was "normal" überhaupt bedeutet, da ich mich seit über einem Jahr nun komplett "im falschen Film" befinde.

In meinem Fall war es so, dass mir von der ARGE Duisburg ein Prospekt in die Hand gedrückt wurde "Leben und Arbeiten in der EU" (oder so ähnlich). "Ja, wenn Sie hier nichts finden, dann versuchen Sie es doch im EU-Ausland, ist ja heutzutage alles kein Problem mehr!"

Die entsprechende Broschüre verschwand zunächst, aber nicht für lange, in einer Ecke meiner immerhin doch Dank viel Eigeninitiave bewohnbar gemachten "Hartz IV"-Wohnung in Duisburg-Hochfeld.

Es war ein Zufall - durch ein gemeinsames Hobby lernte ich in dieser Zeit eine Österreicherin, aus Wien, kennen mit der ich mich auf Anhieb mehr als gut verstanden habe. Um die Sache etwas abzukürzen: Ja, wir kannten uns im grossen und ganzen auch nur aus dem Internet. Dank der modernen Technik aber doch sehr gut.

Eines Tages -viel eher aus Spass- der Spruch "Wenn ich mal nach Österreich komme - dann nur mit einem OneWay Ticket" - Dieser Spruch wurde nach kurzer Zeit Realität, als ich nach Abklärung der Details mit der ARGE Duisburg im Flugzeug Richtung Wien saß.

Meine anfängliche Begeisterung schwand und wurde plötzlich doch durch eine große Unsicherheit ersetzt. Na, ist ja alles nicht so wild. Du bist ja in der EU gut abgesichert. Von wegen!

Natürlich hatte ich für den Fall der Fälle vorgesorgt. Falls etwas schiefläuft. Meine Miete in Deutschland war noch bezahlt. Innerhalb eines Monats hätte ich problemlos wieder zurückkehren können.

Das erste Treffen in Wien mit meiner zukünftigen Lebensgefährtin - Es funkte auch in der Realität sofort. Eine Arbeitsstelle war mir in Österreich schon fest zugesagt, allerdings in der Nähe von Salzburg.

Nachdem es doch entsprechend umständlich ist in Salzburg zu arbeiten und am Wochenende nach Wien zu fahren. habe ich sofort versucht, direkt in Wien eine Arbeitsstelle zu finden. Nach dem, was mir in Deutschland von der ARGE Duisburg gesagt wurde, musste ich mich auch sofort beim AMS Wien melden, damit ich bis zur Arbeitsaufnahme noch entsprechende Geldleistungen bekomme.

Pustekuchen. Entgegen der Aussage "ja, da brauchen Sie nur Ihren Leistungsbescheid aus Deutschland mitzunehmen" viel zum ersten Mal das Wort "E301" -wie ich jetzt weiss- eigentlich ein sehr einfach strukturiertes Formular, dass die Vorversicherungszeit bzw. die vorhergehenden Leistungen bestätigt - und die Aufforderung mir eine Sozialversicherungsnummer bei der WGKK zu holen.

Bei der WGKK scheiterte ich wieder. Um eine Sozialversicherungsnummer zu erhalten benötige ich das Formular E301 und E104 - es wurde immer interessanter und meine Arbeitlosenmeldung schlichtweg nicht möglich.

Zwischenzeitlich gingen auch mir die Medikamte aus, die ich bereits in Deutschland sehr erfolgreich gegen Depressionen genommen habe, eine Möglichkeit mich freiwillig krankenzuversichern, bestand nicht (wegen dem fehlenden Nachweis, das ich vorversichert war, weil, sonst "könnte sich ja jeder aus dem Ostblock mal eben in Österreich anmelden und sich hier behandeln lassen" Auch wieder logisch.)

Ich wurde von Pontius zu Pilatus geschickt wurde - von einem Sozialdienst zum anderen. Mir wurde mitgeteilt: "So lange Ihr Antrag vom AMS noch nicht bearbeitet ist und nicht sicher ist, ob Sie von dort Leistungen bekommen oder nicht erhalten Sie keine Sozialhilfe" blieb mir also nichts anderes übrig, als täglich abzuwarten ob das Formular E301 nun endlich im Briefkasten landet.

Ende September habe ich die Arbeit in Salzburg aufgenommen. Es stellte sich heraus, dass das eigentlich vereinbarte Zimmer, das ich unter der Woche beziehen sollte, gar nicht existiert. Auch eine gewisse Sprach- und Verständisbarriere mit dem ausländischen Arbeitgeber führte dazu, dass ich nach wenigen Tagen wegen Sinnlosigkeit der Angelegenheit wieder nach Wien zurückkehrte.

Wie gesagt: Ich war in Deutschland HARTZ-IV- Empfänger. Ich habe bezüglich dem Umzug keinerlei Leistungen von Deutschland bekommen und auch keinerlei sonstige Hilfstellungen zur Realisation. Mit € 340 Euro in Deutschland überleben zu müssen ist bereits ein Drama. Entsprechend dann auch meine finanzielle Situation: Ich war pleite. Schlicht und einfach pleite. Meine Freundin, die auch nur sehr unterbezahlt als Bueffetkraft bzw. Servierkraft bei einem Computerhersteller in Wien tätig war, musste mich in dieser Situation auch noch unterstützen bzw "durchfüttern". Grob gesagt: Von einem Gehalt unter € 1.000 netto ist es schlichtweg nicht möglich eine 3-Zimmer-Wohnung (die wir auch zu dritt incl. Ihrer Tochter benötigten) mit einem Mietzins von € 750 zu halten und außerdem noch Lebensmittel zu organisieren. Die Stromrechnung musste auch noch bezahlt werden und, und, und ... Nebenbei erwähnt: Ein Umzug in eine günstigere Wohnung war zu diesem Zeitpunkt wegen der fehlenden Mietkaution nicht denkbar. Der Bezug einer Gemeindewohnung nicht möglich, obwohl meine Freundin schon weit über 2 Jahre in Wien lebte. Es scheiterte tatsächlich daran, dass ich eben noch keine zwei Jahre in Wien war bzw. auch noch nicht bin.

Ganz zu schweigen von einem Monatsticket der Wiener Linien für mich, dass auch mit annähernd € 50 Euro zu Buche schlug. In dieser Situation eine Wahnsinnssumme. Aber irgendwie musste ich ja meine Wege erledigen.

Im November -nach unzähligen Anrufen, E-Mails und Telefaxen- Hurra! Post aus Duisburg von der ARGE. Es handelte sich aber nicht um das heissersehnte Formular E301, sondern um eine Absage, nach der ich das Formular überhaupt nicht bekommen würde. Einen Tag später stand ich mit diesem Schreiben beim AMS auf der Matte.

Dort konnte man mit dem Schreiben nichts anfangen. Ich wurde erneut darauf verwiesen, dass ich das Formular brauche. Egal wie, es muss von Deutschland ausgefertigt werden.

Ich landete -ich kann hier wirklich von Glück reden- am Ende bei der stellvertretenden Leiterin des AMS. Anrufe mit einer übergeordneten Stellen ergaben, dass es mit Deutschland hier permanente Probleme hinsichtlich dieses Formulars gibt. Seit Einführung dieses HARTZ IV funktioniert in Deutschland nichts mehr.

Früher, ja früher, gab es bilaterale Verträge die besagten, dass ein Deutscher einem Österreicher gleichgestellt wird. Diese Verträge wurden gekündigt. Wir können ohne E301 nichts machen - stellen sie sich doch vor, "da könnte ja jeder aus den Ostblockländern nun kommen und hier Leistungen beziehen." Auch wieder wahr. Ich verstehe wieder, um was es geht. Nur das hilft mir nun Null weiter.

Nach langem Überlegen viel der Dame immerhin eine gewisse Ansatzlösung ein, die mich in dieser Situation letztendlich gerettet hat. Mit einem "Bewerbung intensiv"-Kurs, in den ich sofort aufgenommen wurde, hatte ich Anrecht auf einen Tagessatz von € 13 Kursgeld und, was in dem Moment am wichtigsten war, ich war krankenversichert.

Die private Lage spitzte sich zwischenzeitlich zu: Auf Grund der Gesamtsituation kriselte es verständlicherweise in unserer Beziehung. Ich konnte nach wie vor nichts tun um die finanzielle Situation zu entlasten, da ich das Kursgeld erst nachträglich zum 7. des Folgemonats bekommen würde. Meine gesundheitliche Situation verschlimmerte sich täglich, ich war nicht mehr in der Lage die einfachsten Dinge zu erledigen, was, natürlich, für meine Beziehung alles andere als vorteilhaft war.

Wie ging's weiter? Es folgte die Trennung mit der Frage für mich: Wohin nun? Nach einem kurzen, aber heftigen "Ausflug" in den Alkohol fand ich mich im Anton-Proksch-Institut Kalksburg ein. Einer "Trinkerheilanstalt" die ebenfalls Erkrankungen wie Depressionen behandelt.

Es sollte nicht bei einem Aufenthalt hier bleiben. Zu diesem Zeitpunkt war aber die Aufnahme das beste, was mir passieren konnte - es verschaffte mir auch eine gewisse notwendige Zeit, um nun überhaupt irgendwas klären zu können.

Die Klärung sah dann so aus: Es wurde mir ein Wohnheim der Caritas empfohlen, dass "die erste Adresse bezüglich einer Übergangseinrichtung für Menschen mit solchen Prolemen wäre".

Was mir in Österreich besonders aufgefallen ist: Es ist nichts so wie es scheint. Wir bemächtigen uns derselben Sprache, wir Deutschen und die Österreicher, aber irgendwie musste ich feststellen, dass wir ständig aneinander vorbeireden.

So war es auch hier. Bei dem "Vorstellungsgespräch" bei der Einrichtung wurde mir die Mitbenutzung eines Doppelzimmer zu einem Preis von sage und schreibe € 215 pro Monat angeboten. Gut, mir blieb nicht viel anderes. Um die Beibringung des Betrags müsste ich mich selbst kümmern. Vereinbart wurde eine Wohnmöglichkeit bis zu ca. 1 1/2 Jahren bzw. bis ich hier einen Anspruch auf eine Sozialwohnung (hier: Gemeindewohnung) hätte.

Ferner befinden sich im Haus Sozialarbeiter, die man bei Problemen jederzeit ansprechen könnte. Ich solle mir nun Zeit lassen und erstmal zur Ruhe kommen.

Genau das wollte ich zu diesem Zeitpunkt nicht: Ruhe. Vielmehr wollte ich mich intensiv darum kümmern, nun endlich das zu tun, wozu ich hierher nach Österreich gekommen bin: Arbeiten.

Ich musste schnell feststellen, dass man hier unter Sozialarbeit etwas anderes versteht als in Deutschland. Die Sozialarbeiter sind zwar tatsächlich anwesend aber nicht wirklich hilfreich. Im Gegenteil: Es werden zwar ellenlange Gespräche über die Situation geführt -und vor allem detailliert protokolliert-, allerdings ohne das hier irgendwas produktives geschieht. Es stellte sich heraus, dass das Bestreben bzw. Ziel nicht etwa in der "Resozialisierung" der Bewohner steht, sondern vielmehr diejenigen gerne gesehen sind, die eigentlich gar keine Lust haben aus der gegebenen Situation wieder rauszukommen. Die geben "Ruhe" und zahlen brav mit der Sozialhilfe Ihre Miete. Wenig Arbeit für die Bediensteten. Klasse.

Die Extremsituation war, als ich wieder in einem Kurs war, massive Schwierigkeiten mit dem Sozialamt hatte und in der Einrichtung um Hilfe bat. Diese Mithilfe bestand lediglich in meiner Bitte sich mit dem Sozialamt in Verbindung zu setzen, um dort einen "Nottermin" zu vereinbaren, da die reguläre Wartezeit hier in Wien bis zu einem Monat beträgt, was einem natürlich nicht wirklich weiterhilft wenn man seine Miete nicht bezahlen kann, und noch dazu jeden Tag 2 Stunden einfache Strecke zu Fuss unterwegs ist um den Kursort zu erreichen, da man sich das Monatsticket für die Wiener Linien nicht leisten kann.

Das dauerte geschlagene zwei Wochen bis endlich jemand in der Lage war dort anzurufen (obwohl es hier auch letztendlich um das Geld der Caritas ging) um diesen Termin zu vereinbaren. Als ich den Termin wahrgenommen habe und die Situation schilderte, durfte ich mir von der Dame anhören: "Ja, warum wurde da nicht gleich angerufen?"

O ja, ich hatte schnell wieder Arbeit gefunden. Zwar wieder nur als Handlanger bei einer Zeitarbeitsfirma, aber immerhin etwas eigenes Geld. Problem nur: Nachdem ich die Arbeit angetreten habe, war natürlich kein Anspruch mehr auf Sozialhilfe bzw. in meinem Fall seinerzeit Richtsatzergänzung gegeben. Ich hätte zwar theoretisch noch einen Restanspruch über 10 Tage gehabt, diesen konnte ich aber nicht einfordern, da es mir nicht möglich war in der Arbeitssituation zu meinem Chef zu sagen: "Ich kann morgen Vormittag nicht kommen, weil ich einen Termin beim Sozialamt habe."

Die Gehaltzahlungen wurden -wie es im Zeitarbeitsbereich üblich ist- jeweils zum 15. des Monats vereinbart. Dies war auch meinem Sozialarbeiter bekannt. Was passiert: am 10. des Folgemonats wurde ich in einer ziemlich dreisten Art (Ja, mit mir kann mans ja machen, ich muss mir das ja gefallen lassen) der Mietzins eingefordert. Zwei Tage später sollte ich meinen Kontoauzug beibringen, was für mich wieder einen Fussmarsch bedeutete bzw. die Schwierigkeit darin lag, dass ich zu diesem Zeitpunkt noch keine Bankomatkarte (Geldautomatenkarte) hatte und so irgendwie zusehen musste zu den Öffnungzeiten zur Bank zu kommen.

Diesen Kontoauzug habe ich dem Sozialarbeiter Konrad H. übergeben, der den Kontostand von € 0,00 zur Kenntnis nahm und nur lapidar meinte, ich würde am Folgetag auf Grund der fehlenden Miete Hausverbot bekommen, obwohl er den Beleg dafür, dass ich noch kein Geld bekommen hatte in Händen hielt.

Ich konnte den Mietzzins am nächsten Tag glücklicherweise beibringen. Nicht nur soviel zum Thema Caritas und Sozialarbeit - Diese Sozialarbeit lässt sich nicht definieren und hört vor der eigenen Haustüre auf.

Bei einem weiteren Gespräch wollte ich nun wissen zu was die ganzen Daten erhoben werden, die Antwort darauf war wortwörtlich mit einem Grinsen "Du brauchst nicht alles wissen" gefolgt von "Wir möchten deinen Arbeitsvertrag sehen" - Hier reichte es mir dann doch, weil es bekannt ist, dass es Österreich mit dem Datenschutz nicht, sagen wir, ganz so genau nimmt. Je weniger Daten gespeichert sind, desto geringer die Wahrscheinlichkeit das diese -beabsichtigt oder nicht- in falsche Hände gelangen können (zumal mir auch bekannt war, dass diese Datenspeicherung nicht hausintern stattfand, sondern in einem zentralen Rechenzentrum der Caritas).

Am Folgetag wurde mir zu verstehen gegeben, dass man in meinem Fall keinen Anlass mehr zu einer Betreuung mehr sieht und wurde gebeten "möglichst umgehend zu verschwinden". Meine Frage war primär: Welche Betreuung? Um welche Art der Betreuung ging es hier überhaupt? War, bin oder wurde ich entmündigt und habe nichts davon mitbekommen? Nein, das nicht. Aber der zuständige Sozialarbeiter konnte mir auch nicht erklären wie sich "Betreuung" definiert. Es wurde mir die späteste Frist 31.12.08 gesetzt das Haus zu verlassen - wohl wissend das es mir nicht möglich sein wird in diesem Zeitraum etwas anderes zu finden. Meine finanzielle Situation war hinreichend bekannt.

Zwischenzeitlich wurde ich auf Grund meiner kfm. Ausbildung von der Zeitarbeitsfirma zu meiner absoluten Freude in einer Bank eingesetzt. Ich sollte dort eine entsprechende Ausbildung über drei Monate machen und im Anschluss fest übernommen werden. Für mich ein Traum, der durch die Gegebenheiten wieder scheiterte.

Man kann sich unschwer vorstellen, dass eine derartige Wohnraumsituation für jemanden der nicht aus diesem Mileu stammt insgesamt mehr als schwierig ist (nett gesagt); zumal dann, wenn man einen Mitbewohner im Zimmer hat, der selbst massive Schwierigkeiten hat. Mein Zimmerkollege, eigentlich ein umgänglicher Mensch, hatte ein massives Alkohol- und Medikamentenproblem und stand kurz vor einem Rückfall. Entsprechend das "Klima". Es war für mich eine Gradwanderung, morgens im Anzug aus diesem Haus zu gehen, mich in einem normalen Umfeld zu bewegen, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren, um es am Abend wieder zu betreten. Ein unertägliches Umfeld. Im Erdgeschoss befand sich eine Teestube für Obdachlose. Genutzt in der Hauptsache von polnischen Obdachlosen, die generell eine, wie soll ich es sagen, explosive Stimmung ins Haus brachten. Augen zu nicht nach rechts und links schauen. Ich musste mich bei jedem Betreten und Verlassen des Hauses sinnlos im Büro melden, also blieb mir nichts anderes übrig als diese Teestube zu durchqueren.

Ich bat, nein, ich bettelte darum, mir eines von den Einzelzimmern im Haus zuzuteilen, damit ich wenigsten eine gewisse Ruhe finden und lernen konnte. Diese Einzelzimmer bekommen aber nur "entsprechende Personen", die sich "lange genug" in der Einrichtung aufhalten.

Im Umkehrschluss: Personen, die absolut kein Interesse haben, sich Arbeit zu suchen werden hier nach Dauer des Aufenthalts auch noch mit Vergünstigungen wie eben den Einzelzimmern sinnlos "belohnt".

Lernen für die Ausbildung? Wie denn in dieser Gesamtsituation. Das Arbeitsverhaeltnis hatte nicht lange Bestand. Eine mündliche Prüfung habe ich versiebt, was zwar sicherlich nicht massgeblich war - allerdings frage ich mich bis heute, wie mein Arbeitgeber darauf kommen konnte, wo ich wohne. Die Adresse dieser Einrichtung ist eigentlich nicht stadtbekannt. Offensichtlich wurde nach der Adresse "gegoogelt" und auf gut Glück bei der Caritas angerufen und von dort auch noch bestätigt bekommen, dass ich tatsächlich offiziell in dieser Einrichtung bin. Es wurde natürlich bestritten, dass man dort am Telefon irgendwelche Auskünfte gibt. Andersrum habe ich vom Arbeitgeber aber ein Schreiben bekommen in dem die Zeile "Lt. Auskunft der Heimleitung" auftauchte. Auch soviel zum Thema Datenschutz.

Gut, es bestand auf jeden Fall urplötzlich kein Interesse mehr an meiner Weiterbeschäftigung.

Nunja, zum aktuellen: Nachdem die Medikamenteneinstellung hinsichtlich der Depressionen wieder nicht klappte, landete ich nun erneute im Anton-Proksch-Institiut, über dessen Arbeitsweise ich nun zwischenzeitlich keine Meinung mehr habe. Die zunächst zuständige Stationsärztin, zu der ich immerhin auch fachliches Vertrauen hatte, hat gewechselt. Gerade in dieser Situation, wo es gut getan hätte, zumindest ein "offenes Ohr" bei jemanden zu finden. Was die "neue" Ärztin angeht habe ich nun auch ein massives Problem mit ihrem Verhalten. Ein normales Arzt-Patient-Gespräch wurde seither nicht mehr geführt. Im Sprechzimmer werde ich in einer Art und Weise "behandelt" bei der für mich auch offensichtlich ist, dass es etwas mit meiner Staatsbürgerschaft zu tun hat. Bei den Visiten -in Gegenwart des Professors- sieht das alles ganz anders aus. Was soll ich sagen? Ich befinde mich nunmehr in der Situation, wo ich nicht mehr viel sagen kann. Ich habe nach dieser Odyssee einfach keine Kraft mehr, mich zu wehren. Ich habe Angst, dass meine gesundheitliche Situation noch so den Berg runter geht, dass ich auf derartige Menschen angewiesen/ihnen ausgeliefert bin und habe Angst jetzt in dieser Situation entlassen zu werden - direkt auf die Strasse.

Was mich die ganze Zeit "über Wasser" gehalten hat war die vermeidliche Tatsache, ich könnte ja jederzeit wieder nach Hause, nach Deutschland zurückkehren. Was dann passierte schockierte mich noch weiter ohne Ende. Es ist in Deutschland keine Zuständigkeit gegeben. Ich habe von Bremen bis München herumtelefoniert. Glück im Unglück, dass ich hier in der Psychiatrie über einen Laptop verfügen kann und somit Kontakt zur Aussenwelt halten kann. Sehr zweckdienlich war auch der glückliche Umstand das ich "Skype"-Gutscheincode bekommen habe, mit dem ich gerade einen Monat gratis telefonieren kann. Viel gebracht hat es bisher nichts (aber immerhin habe ich mir dadurch eine Telefonrechung erspart, die mich sicherlich noch weiter in den Ruin getrieben hätte) ausser der Erkenntnis, dass es tatsächlich nicht möglich ist, irgendetwas vorbereitend hinsichtlich einer geregelten Rückkehr zu regeln oder irgendeine Hilfe zu bekommen.

Ich befinde mich seit 24.09.2008 nun in der Klinik. Seither habe ich auch kein Geld mehr erhalten. Mein Arbeitgeber verweigert die Herausgabe der dringend notwendigen Arbeits- und Entgeldbestätigung ohne die ich wieder keinerlei Leistungen bekomme. Mein Zimmer bei der Caritas habe ich nun auf Grund der daraus resultierenden Mietrückstände auch noch verloren. Immerhin habe ich nun (zwischenzeitlich gestern) von einem Pfarrer der Heilsarmee nun eine Zusage wegen einer Unterbringung bekommen - offen noch zu welchem Zeitpunkt. Auch hier werde ich mich selbst um die Kosten kümmern müssen und so wie es aussieht, werde ich dieses Zimmer wieder nicht lange halten können und dann endgültig "unter der Brücke" landen.

Selbstmordgedanken? Ja, hatte ich - warum habe ich es nicht getan ?

Ich habe mir eins geschworen: Ich werde das, was mir passiert ist, publik machen. Ich werde kämpfen mit den Mitteln die mir zur Verfügung stehen, damit nie wieder einem deutschen Staatsbürger etwas derartiges passiert. Ich verdiene eine derartige Behandlung nicht. Auch kein anderer verdient es vom Staat Deutschland so behandelt zu werden. Mal ganz abgesehen davon, dass sich die deutschen Zustände langsam zu einer bösen Lachnummer entwickeln, wenn man hier in Österreich sagen muss: "Ja, ich wurde von meinem eigenen Heimatstaat im Stich gelassen".

Zu diesem Zeitpunkt habe ich nicht geahnt, dass es noch einen zweiten gibt, der die fast identische Hölle hier durchleben musste und genau auf dieselbe "Idee" gekommen ist. Damit meint er mich und meinen Bericht. Am 1. Juni 2009 erhielt ich die folgende E-Mail. Offenbar ist er ausgerechnet in der Grazer Sigmund-Freud-Klinik.

Erst zwei Wochen später erhielt ich eine weitere Mail von Markus. Er ist tatsächlich in dieser Klinik, soll ebenfalls ins 'Nichts' entlassen werden, weiß nicht wohin. Er beklagt den immer rüder werdenden Umgang seitens des Pflegepersonals. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört ...

Menschenverachtende Erfahrungen in Graz/Österreich