Michaels Reisetagebuch - Horror in Grazer Sigmund-Freud-Klinik: Skizze



Der Nachmittag meiner Misshandlung

24. November 2005 - so war die Situation am Abend gegen 18 Uhr in der Sitzecke der Station PS32


Diese Skizze hat eine hilfsbereite Bekannte von mir am 13. Juni 2008 gezeichnet - 2 1/2 Jahre nach den Vorkommnissen auf der Station 'PS32' von Oberarzt Dr. Peter Schwarzl. Ich kann mich noch erinnern, als ob es gestern war. Das Bild ist nicht maßstabsgerecht. In der Mitte des Raumes standen noch Kleinmöbel und Pflanzen.

Mittags war ich aus dem 'geschlossenen' Bereich entlassen worden; jetzt sollte ich -trotz Wohnung- in eine Obdachlosenunterkunft gehen. Ich war voller Angst und Panik! Niemals im Leben zuvor hatte ich solche Existenzängste. Niemals im Leben zuvor, ging es mir so schlecht. Ich flehte darum, Hilfe zu bekommen. Und das war es, was ich bekam:

Die hier veröffentlichte Zeichnung zeigt die Situation, wie sie am 24. November 2005, ca. 18:00 Uhr, war. Ich saß im äußersten, linken Bereich der Sitzecke an einem Tisch, aufgestützt auf meine Arme. Die Tasche, die die Pfleger gepackt haben, stand neben mir. Wenn ich aufrecht saß, blickte ich in Richtung Raucherzimmer. Patient Ludwig Seerainer, den ich nie im Leben vorher gesehen habe und damals auch seinen Namen nicht kannte, saß vor mir, mit Blickrichtung Fenster.

Auf der Couch saßen am Nachmittag wechselweise keine oder bis zu vier Patienten. Stundenlang versuchte Ludwig Seerainer die Mitpatienten gegen mich aufzuhetzen. Sie sollten dabei helfen, mich aus dem geschlossenen Fenster zu werfen - und die Tasche gleich hinterher. Das Aufhetzen funktionierte nicht; die Mitpatienten begriffen überhaupt nicht, was er wollte. Die Frage bewegt mich bis heute: Was wäre geschehen, wenn sie es verstanden hätten? Den gesamten Nachmittag über unterlegte Seerainer seine Todes- und Gewaltandrohungen mit ausländerfeindlichen Begriffen wie 'Piefke-Schmarotzer', 'Drecks-Deutscher' oder 'Scheiss Deutscher'.

Wenn er aufstand, ging er zum Radio, das sich in einem Wandschrank hinter mir befand und stellte es wahlweise lauter oder leiser. Das tat er geschätzte 10x pro Stunde. Jedes Mal rempelte er mich dabei mit seinem Ellenbogen an. Später zog er auch am Tisch, so dass ich aufschreckte, wenn ich meinen Kopf auf beide Arme gelehnt, auf dem Tisch ruhen liess. Wenn Seerainer von seinen Widerwärtigkeiten erschöpft war, ging er ins Raucherzimmer.

Um die Rempeleien zu vermeiden, rutschte ich mit meinem Körper so dicht wie möglich an den Tisch heran. Immer wieder schlief ich vor Müdigkeit an. Als ich gegen 18 Uhr eingenickt war und Seerainer erneut heftig am Tisch zog, schreckte ich derart auf, dass meine Beine, die sich direkt unterhalb der Tischkante befanden, in die Höhe zuckten und den Tisch umwarfen. Heike, Astrid und Christian beobachteten die Situation von hinten (ich konnte sie nicht sehen, weil ich ihnen den Rücken zugewandt hatte). Ich sah sie erst, als ich aufstand, um den Tisch wieder hinzustellen. Sie hatten dort offenbar die ganze Zeit alles beobachtet, denn erst jetzt fiel mir auf, dass ich sie den ganzen Nachmittag über nicht gesehen habe. Vor einer Woche war das noch anders: Alle paar Minuten kam ein Pfleger, um mich zum Gehen zu bewegen. Das war heute nicht der Fall. Heike stand direkt hinter mir; Astrid an der Eingangstür zum Pausenraum des Personals; Christian deutlich dahinter. Noch heute sehe ich seine weit ausgebreiteten Arme.

Pflegehelferin Heike (Sigmund Freud Klinik, Graz) amüsierte sich köstlich über die Morddrohungen Seerainers und dessen ausländerfeindliche BeschimpfungenHeike (Foto) sagte, ich solle die Patienten nicht belästigen. Sie forderte Astrid auf, die Polizei zu rufen. Aus Angst verliess ich daraufhin die Station ohne Schuhe, die in meiner Tasche steckten. Auf Strümpfen stapfte ich durch den Schnee. Ich bekam durch den plötzlichen Temperaturwechsel Kreislaufprobleme. Es hatte heftig geschneit! Am geöffneten Stationsfenster lachten Astrid und Heike sich halbtot, versuchten mich im Dunkel zu entdecken. Niemand hat die Polizei gerufen. Ich zog mir eine Jacke über und suchte nach meinen Schuhen. Die Pfleger hatten die Schnürsenkel entfernt, so dass der Weg zur Bushaltestelle durch den hohen Schnee besonders beschwerlich war. Niemand auf der Welt kann ermessen, wie ich mich in diesem Augenblick fühlte. Damals ahnte ich noch nicht, dass ich diesen grauenhaften Nachmittag niemals mehr vergessen und jede Nacht daran denken würde ... Niemand auf der Welt kann ermessen, wie unendlich einsam und allein ich mich in diesen Minuten fühlte. Ein heftiger Schneeschauer ging nieder. Auf mich warteten eine unbeheizte Wohnung und ein leerer Kühlschrank ...