Michaels Reisetagebuch - Michael Schubert berichtet in seinem Erfahrungsbericht über schwere Missstände in Graz/Österreich

Abschiedsbrief an Hans-Henning Born, verschickt am 22. Dezember 2006

Inhalt:
I. Ankunft in Graz
II. Erste Schikanen der Grazer Behörden
III. Drohende Eskalation
IV. Erschreckende Erlebnisse in der »Sigmund Freund«-Klinik
V. Wer ist der dicke Mann?
VI. Neuer Suizidversuch
VII. Vertuschung und Abstrafung
VIII. Richtung Winter
IX. Mangelndes Vertrauen
X. Krankheiten und Schmerzen

Bilder meiner Wohnung
Schauerliches aus der österreichischen Presse
Stimmen der Leser / Fragen & Antworten
Eine kleine Mail-Auswahl

Hans-Henning Born, D-87730 Bad Grönenbach

22. Dezember 2006

Lieber Hans-Henning, Ich werde jetzt versuchen, mir mit einer Überdosis an Medikamenten das Leben zu nehmen. Ich bin in den letzten vier Jahren durch schwere Zeiten gegangen, aber hier in Graz habe ich seit meiner Ankunft am 3. August 2005 die pure Hölle erlebt.

Nachdem ich Ende September die unten genannte Webseite veröffentlicht habe, warst Du der erste und für lange Zeit einzige, dem ich sie zu lesen gegeben habe. Per Brief habe ich Dir die Webseiten-Adresse am 2. Oktober zugeschickt. Es gab daraufhin von Dir keinerlei Reaktion, obwohl diese Webseite ein einziger Hilferuf war.

Ich kann absolut nachvollziehen, dass Dir meine Probleme -die ja immer schlimmer und schlimmer geworden sind, um so mehr ich mich bemühte sie zu bekämpfen- über den Kopf gewachsen sind und Du nicht mehr wusstest, wie Du damit umgehen sollst.

Aber ich hatte überhaupt kein Verständnis dafür, wie Du gegenüber Dritten, die Du gar nicht kennst, über mich geschrieben hast. Immer wieder hast Du betont, wie wenig Zeit Du hast und wie gestresst Du mit Arbeit, Familie und Kirche bist. Aber Du hattest Zeit genug, Dich mit Dritten in fragwürdiger Form über mich auszutauschen.

Du hast einem Dritten gegenüber erwähnt, dass ich schon mehrere Selbstmordversuche hinter mir habe und betonst mit sarkastischem Unterton: »Merkwürdigerweise alle erfolglos. Er wollte damit seine Umwelt unter Druck setzen«.

Wenn man nichts sagt und sich ohne Warnung umbringt, wird gesagt: Hätte er doch bloß etwas gesagt. Wenn ich aber um Hilfe rufe/bitte, wird gesagt: Er will seine Umwelt unter Druck setzen.

Du schreibst einem Dritten: »Er hat mir in seiner letzten Mail angekündigt, nun einen weiteren, diesmal erfolgreichen Selbstmordversuch unternehmen zu wollen, da seine Situation aussichtslos ist. Das mit den verkappten Selbstmordversuchen dient dazu, um auf sich aufmerksam zu machen und um in eine Psycho- oder andere Klinik eingewiesen zu werden. Da sind andere Menschen, die sich mit ihm abgeben und da gibt es passables Essen.«

Ja, lieber Hans-Henning, Du hast recht: Ich habe auf mich aufmerksam machen wollen. Ich wollte wissen, ob es noch Familienmitglieder, Freunde oder Bekannte gibt, die mir helfen wollen, die zu mir stehen. Ja, ich habe auf mich aufmerksam machen wollen, weil ich allein nicht mehr weiter wußte, weil mich die Kräfte verlassen hatten und weil ich das Vertrauen in die Menschen verloren hatte, nachdem, was mir hier in Graz angetan worden ist. Ja, als mein Kühlschrank im Spätherbst 2005 leer war, ich kein Geld mehr hatte und die Temperatur in meiner verschimmelten Wohnung nur noch 8,8 C betrug, habe ich mich auch über das gute Essen in der Klinik gefreut. Gehe Du mal in eine Klinik wie die »Sigmund-Freud«-Klinik in Graz und sage dann noch einmal, dass ich mich da gerne einweisen lassen möchte.

Du schreibst weiter: »Ich würde es sehr bedauern, wenn er wirklich ernst gemacht hätte, aber ich könnte es nicht ändern und würde auch damit fertig, es gab Hilfsangebote genug, er hätte sie nur anzunehmen brauchen.«

Behörden und Organisationen in Graz hätten es jederzeit ändern können. Hätte ich mit Beginn meiner Arbeit 50 € zusätzlich erhalten und hätte man mir jetzt mit dem Heizöl oder auch mit der Kaution für eine andere Wohnung geholfen, wäre die Situation nie so eskaliert. Aber sie wollten nicht.

Wie mehrfach betont, hätte ich von Dir kein Geld angenommen. Das hast Du mir angeboten. Du hast eine 3-köpfige Familie, musst ein Haus bezahlen und etliches mehr. Von Dir hätte ich nie größere Summen angenommen. Und eine größere Summe wäre notwendig gewesen, um an meiner Situation etwas ändern zu können (Heizkosten, Kaution für eine andere Wohnung, Einrichtung/Möbel - in Österreich ist ja alles unmöbliert). Von anderen Hilfsangeboten ist mir nichts bekannt.

Du schreibst weiter: »Ich bekam am 2. Oktober einen Brief von ihm, in dem er auf diese Webseite hinweist (die ich allerdings auch nicht komplett gelesen habe, da ich schon viele solche Dinge in der Vergangenheit lesen mußte). In meinen Augen ist das alles Zeitverschwendung, er sollte lieber schauen, dass er seine Probleme in den Griff bekommt...«

Eine Stunde Zeit hätte das Lesen der Seiten beansprucht. Diese Stunde hattest Du nicht. Stattdessen schlägst Du mir symbolisch mit der Faust ins Gesicht, indem Du schreibst, ich solle sehen, meine Probleme in den Griff zu bekommen. Genau all das, was ich getan habe, habe ich auf diesen Seiten lückenlos aufgeschrieben. Und was dabei heraus gekommen ist, auch. Es tut mir Leid, dass Du schon in der Vergangenheit so viele solcher Dinge von mir hast lesen müssen. Aber Du hattest damals -nicht nur einmal- zu mir gesagt, ich könne immer zu Dir kommen.

Du schreibst: »Es sind eben nicht immer nur die anderen schuld an seiner Misere, sondern vor allem er selbst.«

Danke, Hans-Henning. Die Schuldfrage - Dein Lieblingsthema. Warum schreibst Du nicht, wo genau meine Schuld liegt? Dass es ein Fehler war, nach Österreich zu gehen, sehe ich ein. Aber konnte ich das vorher wissen? Hast Du nicht immer gesagt, wie wichtig es sei, Arbeit zu finden, zu haben? Und der bin ich hinterher gereist: Erst nach England, dann nach Irland und schließlich nach Österreich - immer in der Hoffnung, Arbeit zu finden.

Statt auch nur ein einziges Mal zu loben, was ich alles getan habe, um Arbeit zu finden, zu loben, wie ich in all den Jahren -trotz der Aussichtslosigkeit- gekämpft und immer wieder gekämpft habe, schreibst Du, ich sei an der Misere allein schuld.

Kein Lob für die über 200 Bewerbungen, die ich im Laufe des Jahres geschrieben habe, kein Lob für den sparsamen Umgang mit Geld, kein Lob dafür, dass ich nicht trinke und rauche und keiner anderen Sucht nachgehe, dass ich mich weitergebildet habe etc. Immer nur Kritik - und nie ein Lob! Schuld bin immer nur ich, nicht die Verantwortlichen in der »Sigmund-Freud«-Klinik, nicht die Behörden und Organisationen, nicht die Wiedervereinigung mit der damit verbundenen prekären Wirtschaftslage - nein, ich bin immer allein schuld. Alle anderen sind nicht schuldig!

Wäre ich in Deutschland geblieben und dort jetzt Hartz-IV-Empfänger, würdest Du sagen, ich hätte ins Ausland gehen sollen. Ich sei nicht flexibel genug. Man kann alles so drehen, wie man will. Beispiel: Als ich jemandem sagte, ich trete immer sehr höflich und sachlich auf, wenn ich zu einer Grazer Behörde gehe. Der gab mir den Tipp, doch mal auf den Tisch zu hauen. Spasseshalber habe ich zu einer anderen »Expertin« genau das am nächsten Tag gesagt. Und die erwiderte: Um Himmels Willen, so kann man da doch nicht auftreten. Verstehst Du was ich meine?

Einem Dritten gegenüber, den Du gar nicht kennst, schreibst Du dann weiter: »Sein Vater hat mir von mehreren Frauenbekanntschaften berichtet, die nach einiger Zeit mit ihm reif für den Psychiater waren. Bei der vorletzten (Angelika) konnte ich das selbst mitverfolgen und mir ein Urteil bilden.«

Was geht das andere Leute an? Weißt Du was für eine Kindheit/Jugend ich hatte? Weißt Du, dass mein Vater kaum Zeit für mich hatte? Er hatte immer nur seine Frauen im Sinn (er ist zum 3. Mal verheiratet). Wie kommst Du darauf, dass Angelika reif für den Psychiater war? Ich kam in die Psychiatrie! Angelika hatte längst einen anderen (Reinhard, Weißenhorn). Nach dem Ende unserer Beziehung (ich stand von einem zum anderen Tag ohne Wohnung, ohne Frau und Kinder, ohne Hund, ohne Arbeit und ohne Geld da) ist sie sofort von Illertissen nach Weißenhorn zu diesem Mann gezogen. Reif für den Psychiater war ich, der Tabletten schluckte, drei Tage im Koma lag und dann in die Psychiatrie nach Günzburg kam.

Einen einzigen Nachmittag zu Beginn unserer Beziehung hat mein Vater Angelika gesehen. Und die Freundin davor, Susan, ein einziges Wochenende (Besuch in England). Ansonsten kannte er keine einzige meiner Freundinnen. Er hatte kein Interesse sie kennenzulernen, und ich kein übergroßes Interesse, sie ihm vorzustellen.

Susan war in England wirklich fix und fertig. Uns beiden ging es finanziell gut wie nie, wir hatten beide ein Auto, als ihr Vater in Buchholz-Trelde einen Schlaganfall erlitt, zum Pflegefall wurde und sie daraufhin nur noch nach Deutschland zurück wollte. Das war eine schwere Zeit und ich war nie sicher, was das richtige war: Ins wirtschaftlich kaputte Deutschland zurück gehen? Unsere guten Jobs in England, die schöne Wohnung etc. alles aufgeben?

Mein ganzes Leben, hat mein Vater mich immer nur abgeschoben. Es gab kaum gemeinsame Unternehmungen, keinen einzigen Urlaub. Er war mit seinen Frauen beschäftigt und mit seinem fanatisch betriebenen Badminton-Sport. Jetzt baut er sein 4. Haus(!) und hat wieder keine Zeit. An den meisten Wochenende ging ich zur Oma, in den großen Ferien zur Tante nach Westfalen.

Danke auch für den Hinweis, dass ich in meiner geistigen Entwicklung auf Kleinkind-Niveau stehen geblieben bin. Das ist ja ein richtiger E-Mail-Amoklauf, den Du da einem unbekannten Dritten gegenüber betrieben hast. Du lässt nicht das geringste gute Haar an mir. Das musst Du allein mit Dir verantworten, ob ich all das verdient habe. Aber letztendlich ist es mir auch egal. Ich habe Dir nichts getan und das weißt Du auch ganz genau.

Für Dich ist es unerklärlich, wie jemand in seinem Denken so kaputt geworden ist. Nun, das ist relativ einfach zu beantworten: Lebe Du mal in einer verschimmelten Wohnung bei eisigen Temperaturen, vollkommen allein und vereinsamt, mit einem ausländerfeindlichen Arzt, der Pflegepersonal und Patient einspannt, um einen Menschen, der am Ende war, los zu werden und drohen läßt, ihn aus dem Fenster zu werfen. Ich hatte nicht mal Geld, mir meine Medikamente zu besorgen. Obwohl ich ein Jahr nonstop gearbeitet habe, nicht einen einzigen Tag krank gemeldet war, kann ich mir jetzt kein Heizöl leisten. Nur aufgrund des milden Herbstes habe ich bis heute durchgehalten. Aber jetzt ist das Öl alle und die Kälte kommt jetzt mit aller Macht.

Du musst es selber körperlich erleben, was ich hier in den letzten 17 Monaten erlebt habe. Aber Du bist nicht in dieser Situation und bekommst von daher auch nicht das mit, was ich erlebt habe. Da macht Dir auch niemand einen Vorwurf, aber dass Du in E-Mails einem Fremden gegenüber so über mich herziehst, ist eine ganz andere Schublade.

Du bezeichnest mich in meinem Denken als kaputt, siehst mich auf Kleinkind-Niveau und rätst mir in meiner Notsituation gleichzeitig, Hilfe bei Gott zu suchen, mit ihm zu sprechen und auf seine Ratschläge zu hören.

Mails wie diese sind exakt der Grund, warum ich kein Geld von Freunden annehme. Weil ich mir über die Person nicht sicher bin, nachdem ich so viele bittere Enttäuschungen erlebt habe, weil sich sogenannte Freunde abgewendet haben, nur weil es einem schlecht geht - obwohl die davon größtenteils aufgrund der Entfernung weniger mitbekommen haben, als beispielsweise Du. Man macht sich zwangsläufig angreifbar und es besteht bei regelmäßigem Annehmen von Geldbeträgen die Gefahr, dass der Geber einem früher oder später sagt, wie und was man zu tun habe. Auch werden Briefe/Mails mit derart grobem Wortlaut auch deshalb geschrieben, weil sich der Schreiber insgeheim Hoffnung macht, dass der andere sich daraufhin nicht mehr meldet und er seine Ruhe hat.

Zurück zu meinem Vater und zu Angelika: Natürlich gab es Probleme, an denen ich auch meine Schuld trug. Vieles würde ich heute anders machen, keine Frage. Aber Du kannst doch nicht, wenn mein Vater oder Angelika zu Dir spricht, das als alleinige Wahrheit ansehen. Die haben recht und ich habe unrecht. Die sind schuldlos, ich bin schuldig.

Du glaubst doch nicht im ernst, dass mein Vater zugeben würde, dass er Fehler gemacht hat? Oder Angelika? Hat sie Dir von Ihrem Vater erzählt? An meinem ersten Tag in Illertissen, lernte ich prompt ihren Vater kennen, der mich nicht kannte; sofort als Preussen titulierte und absolut kein Verständnis dafür hatte, dass ich keinen Most trinke. Ohne mich je gesehen zu haben, war ich sofort verdammt. Natürlich hat sich das Verhältnis nie geändert. Wenn jemand Streit und Zank will, kann man nicht viel dagegen machen. Hat Angelika Dir von Sven, ihrem Sohn, erzählt? Sie war verzweifelt, weil er an dem ADHS-Syndrom litt und in der Schule nur 5er und 6er hatte. Ich war irgendwie dafür vorgesehen, als Vaterersatz(?) sein Problem zu lösen und war damit auch überfordert. Schließlich musste auch ich lernen. Es waren meine ersten Kinder, die zudem schon recht groß waren.

Hat Dir Angelika von Ihrer krankhaften Eifersucht erzählt? Hinter jeder Mail, die ich damals an meine noch zahlreich vorhandenen Freunde und Freundinnen geschickt hatte, vermutete sie eine Rivalin. Sogar bei der über 70-jährigen Betty aus England hatte sie einen Verdacht. Obwohl ich immer mit ihr zusammen war; wir immer alles gemeinsam gemacht haben; ich nie allein irgendwo hingegangen bin. Ich war teilweise fix und fertig. Ich wäre nicht im mindesten überrascht, wenn die Beziehung zu diesem Mann aus Weißenhorn auch schon wieder vorbei ist.

Hat mich je jemand dafür gelobt, dass ich in Norddeutschland meine Wohnung aufgegeben habe und nach Illertissen gezogen bin? Ich habe das gemacht, weil die Kinder dort zur Schule gingen und dort ihre Freunde hatten. Ich hätte mich auch bequem im Stuhl zurücklehnen und sagen können: Zieht ihr doch zu mir! Wäre einfacher gewesen? Oder glaubst Du, dass ein erzkatholisches Dorf in Bayern mein erklärtes Lebensziel war?

Hat Dir mein Vater erzählt, welches Geschrei und Gebrüll seine Kinder ertragen mussten, als er sich von meiner Mutter hat scheiden lassen? Da war ich 13, 14 Jahre alt. Geschrei, schlagende Türen, meine Mutter hat sich stundenlang im Bad eingeschlossen, wollte sich dort umbringen. Und wir Kinder bekamen das alles hautnah mit.

Bis 1992 wurde meine Schwester immer bevorzugt. Deshalb habe ich heute diesen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Immer wurde ich benachteiligt. Meine Schwester hatte es faustdick hinter den Ohren und hat das natürlich entsprechend ausgenutzt. Logisch, dass ich früher oder später keinen Kontakt mehr zu meiner Schwester gewünscht habe, denn die hat das Spiel auch noch in hohem Alter, als wir längst ausgezogen waren, weiter zu spielen versucht. Als mein Vater sofort nach der Scheidung von meiner Mutter Mitte der 70er Jahre wieder heiratete, war ich im Wege und praktisch jeden Tag wurde mir damit gedroht, ins Heim zu kommen. In dem Alter war ich nicht in der Lage, die Ernsthaftigkeit dieser Drohungen zu überprüfen. Ich hatte nur noch schlaflose Nächte, baute in der Schule ab und bekam für die mangelhaften Leistungen wieder die Schuld. Die gab ich mir damals auch. Heute sehe ich aber vieles anders. Ich bin dann nicht ins Heim gekommen, sondern wohnte bei meinem Vater und seiner zweiten Frau, Heidrun. Obwohl beide 15 Jahre verheiratet waren, war die Ehe schon nach 6 Monaten kaputt. Und ich bekam das live bin. Natürlich bekam ich die Schuld. Als ich aus der Schule kam, hetzte meine Stiefmutter gegen meine Mutter, drohte mir mit dem Heim und erzählte meinem Vater abends, wenn der von der Arbeit kam, Lügenmärchen. Wem glaubte mein Vater? Richtig: Heidrun. Nach kurzer Zeit war dann aber jedem klar, was für ein Drachen sie war. Mein Vater hat sich bis heute nicht mit einem Wort dafür entschuldigt, was er mir damit angetan hat, als er immer dieser Frau geglaubt hatte. Und selbst, als die Ehe kaputt war, wehrte sich mein Vater nicht. Heidrun verbot ihm sogar, mit mir anläßlich meines Geburtstages Essen zu gehen. Wir mussten das heimlich tun und vor lauter Angst schaute mein Vater voller Nervosität immer wieder auf die Uhr. Das Geburtstagsessen war nach 30 Minuten beendet. Und im Auto sagte er immer wieder: Sag' das bloß nicht der Heidrun. Wenn er mir etwas schenkte, durfte ich das auch nicht erwähnen.

Und mit seiner 3. Frau, Elvira, ist es ähnlich. Die kenne ich allerdings kaum. Habe sie vielleicht 20x für ein paar Stunden gesehen. Aber auch sie wünscht nicht, dass mein Vater mit mir Kontakt hat oder mich gar finanziell unterstützt. Und er tut, wie aufgetragen. Ich wollte damals, bevor ich nach Illertissen zog, einen gut erhaltenen Schrank bei meinem Vater auf dem großen Grundstück unterstellen und ihn bei Gelegenheit nachholen. Da ist die Frau hysterisch geworden, wollte den Schrank nicht auf ihrem Grundstück und so waren Angelika und ich gezwungen, den illegal im Wald zu entsorgen. Ins Auto hat er nämlich nicht mehr gepasst. Seitdem habe ich mit dieser Frau kein Wort mehr geredet (ich war ja auch nie mehr dort). Mein Vater hätte nichts dagegen gehabt, den Schrank dort unterzustellen, aber er konnte und kann sich nie durchsetzen.

Ich könnte noch ewig so weiterschreiben. Aber es hat Gründe, warum ich meiner Familie so distanziert gegenüber stehe. Auch ich hätte gern ein harmonisches Verhältnis zu meiner Familie gehabt, aber irgendwann (1992) habe ich erkannt, dass sich da nie etwas ändern wird. Und schweren Herzens habe ich dann 1992 den Kontakt zu Mutter und Schwester abgebrochen. Bis dahin bin ich immer zu Kreuze gekrochen, habe immer den ersten Schritt gemacht. »Sei vernünftig, entschuldige Dich« - immer dieselben Worte. Und so habe ich mich für Dinge entschuldigt, für die ich gar nichts konnte - um des Friedens Willen.

Immer wieder wollte mein Vater, dass ich meine Mutter im Krankenhaus besuche. Sie hatte im Herbst 2004 einen Schlaganfall erlitten. Er sagte mir jedoch nicht, wie ich den Hin- und Rückflug finanzieren sollte. Als ich jedoch im März 2000 an der Schilddrüse operiert worden bin, haben mich weder mein Vater noch meine Mutter im Krankenhaus besucht, obwohl ich nur 40 km von Buchholz entfernt im Krankenhaus lag. Erzählt er Dir so etwas am Telefon auch?

Als ich 2002 nach meinem Suizidversuch im Koma lag und danach auf normaler Station: Hat mich da meine Mutter besucht? Hat sie mal angerufen? Hat sie mir eine Karte geschickt? Nein, aber ich soll vernünftig sein, und sie jetzt besuchen. Und ich wäre auch so vernünftig, es zu tun, weil ich nicht nachtragend bin, sondern sehr versöhnlich. Sie hat mich auch nicht nach meinem zweiten und dritten Versuch kontaktiert.

Als mein Onkel im Oktober 2006 gestorben ist, konnte ich aus finanziellen Gründen nicht zu seiner Beerdigung, obwohl der immer viel für mich dagewesen ist. Überhaupt: Meine Oma, meine Tante und mein Onkel waren immer für mich da gewesen. Aber die sind jetzt alle tot.

Ich bin auch jetzt versöhnlich, wenn ich Dir diese Zeilen schreibe. Ich bin so unendlich körperlich erschöpft. Noch 1998 bin ich 1.000 Meilen im Jahr durch England gewandert, habe in den Jahren danach viel Squash gespielt und bin auch in Illertissen viel Rad gefahren und viel gewandert. Und jetzt bin ich ein Wrack.

Vor einem Jahr, als ich hier noch nicht versichert war und mich auch nicht versichern durfte, hatte ich kein Geld für Medikamente, für Kleidung und für Heizöl. Jetzt habe ich ein Jahr gearbeitet, bin versichert und kann mir wieder keine Medikamente, keine Kleidung und kein Heizöl leisten.

Besonders makaber: Da habe ich endlich mal einen Job, der mir durchaus Spaß macht und wo ich mich seit September für eine Verlängerung des bis zum 15.12.2006 befristeten Vertrages bemüht habe. Jetzt ist er verlängert worden, aber ich kann mir immer noch kein Heizöl oder eine andere Wohnung leisten.

Hans-Henning, versteh' mich nicht falsch. Ich bin Dir nicht böse. Du hast sehr viel für mich getan - keine Frage. Aber diese Mail-Schläge unter die Gürtellinie sind nicht notwendig gewesen. Sie verschlimmern nur meine ohnehin desolate Situation. Sie unterstreichen, wie lästig ich Dir und den Menschen geworden bin.

Tu' mir den Gefallen und sage nicht, dass ich postalisch oder telefonisch nicht mehr erreichbar war. Es stimmt, aber ich konnte es nicht ertragen, wenn ich am Telefon statt motivierender Worte nur noch allgemeine (und nie präzise) Schuldvorwürfe zu hören bekommen habe und ich wollte auch nicht, dass die Telefonate auf mein Auslandshandy zu teuer für euch werden. Ich konnte auch die immer gleichen Floskeln nach dem Motto: Du musst den ersten Schritt tun; jetzt muss es ja langsam besser werden; Gott sieht deine Bemühungen; die Behörden können dich ja nicht verhungern lassen, etc. nicht mehr ertragen.

Ich bitte um Verständnis, dass ich dieses Mal nicht geräuschlos gehen werde. Die Dinge, die hier in Graz passiert sind, waren zutiefst erschreckend und ich möchte, dass die bekannt werden. Zeitgleich mit diesem Brief habe ich die deutsche Botschaft, diverse deutsche und österreichische Zeitungsverlage und jeweils ein deutsches/österreichisches TV-Programm benachrichtigt. Zudem habe ich eine Anwältin, mit der ich mal zur Schule gegangen bin, informiert, sowie zahlreiche Behörden und Organisationen hier in Österreich.

Ich wünsche Dir und Deiner Familie alles Liebe und Gute! Du bist trotz allem ein guter Mensch!

Liebe Grüße, Michael Originalbrief

Reaktion: Erst nach Entlassung aus der Klinik erhielt ich Anfang Januar 2007 eine SMS mit dem Hinweis, er mache jetzt Urlaub in der Schweiz. Danach war Funkstille. Es folgten zwei E-Mails mit seitenlangen, religiösen Texten, die mir helfen sollen. Auf meine Frage, ob er mich hier in Graz mal besuchen könne, kam die Ablehnung. Er hat sich dann nie mehr gemeldet; erst zu meinem Geburtstag im März 2008 - wahrscheinlich ein wenig aus Neugierde, sehen, ob ich noch lebe. Ich habe ihm schweren Herzens geantwortet, dass ich keinen Kontakt mehr möchte.

Mail von Angelika

Menschenverachtende Erfahrungen in Graz