Michaels Reisetagebuch - Michael Schubert berichtet in seinem Erfahrungsbericht über schwere Missstände in Graz/Österreich



Inhalt:
I. Ankunft in Graz
II. Erste Schikanen der Grazer Behörden
III. Drohende Eskalation (diese Seite ist aufgerufen)
IV. Erschreckende Erlebnisse in der 'Sigmund Freund'-Klinik
V. Wer ist der dicke Mann?
VI. Neuer Suizidversuch
VII. Vertuschung und Abstrafung
VIII. Richtung Winter
IX. Mangelndes Vertrauen
X. Krankheiten und Schmerzen
XI. Epilog
Bilder meiner Wohnung
Schauerliches aus der österreichischen Presse
Stimmen der Leser (Gästebuch)     Häufig gestellte Fragen
E-Mails an Politiker, Medien & Hilfsorganisationen

Die Temperaturen sinken spürbar. In der Wohnung wird es zunehmend kälter. Nach nur wenigen Wochen in Graz eskaliert die Situation immer mehr ...

Samstag/Sonntag, 1./2. Oktober 2005:

Erhielt heute einen Anruf von meinem Onkel aus Hamburg-Harburg, der auch versucht hatte, mit Psychologe Haider zu telefonieren - aber der ist ja bekanntlich krank. Onkel Heinz war recht verständnisvoll. Wie es weitergehen soll, steht dennoch in den Sternen. Er will noch mal mit mit meinem Vater telefonieren, aber der ist ja bekanntlich zur Kur - oder ist er schon wieder zurück?

Kein weiteres Wort von Karin! Ich lag fast nur im Bett und schaute an die Decke. Fühlte mich so schrecklich allein. Mir tat vom vielen Liegen im Bett schon der Rücken und der Nacken weh. Aber immer, wenn ich aufstand, fühlte ich mich schnell so schlapp, dass ich mich wieder hinlegte. Ich will nicht jammern, aber ich fühlte mich wirklich so.

Montag, 3. Oktober 2005:

Die Lautstärke war unerträglich. Es ist mein Nachbar Erwin, der unter mir wohnt. Krass: Tagsüber ist es grabesstill; nachts, wenn man schlafen will, wird alles aufgedreht, was einen Lautstärke-Knopf hat. Aber das Wummern der Bässe ist das allerschlimmste. Spätestens ab 7:00 Uhr ist dann wieder alles ruhig.

Von der Gebietskrankenkasse erhielt ich heute die 'E-Card', eine Chipkarte, die den Krankenschein ersetzt. Ob ich nach nur zwei Tagen Arbeit damit krankenversichert bin? Oder ob ich mich damit jetzt selber krankenversichern kann?

Es war den ganzen Tag über dunkel wie im tiefsten November in meiner Wohnung. Kam aus dem Bett nicht raus.

Mittwoch, 5. Oktober 2005:

Zum Glück ist es immer noch sehr mild - auch in der Nacht, so dass ich weiterhin ohne Ölofen auskommen kann. Von meinen letzten Kröten kaufte ich mir heute am Jakominiplatz in der Apotheke Schlaftabletten ('Calmaben'). Normalerweise wirken die rezeptfreien Schlaftabletten nicht besonders; ich will deren Wirkung heute Nacht testen - auch, weil ich kaum noch schlafen kann wegen des Lärm von meinem Nachbarn Erwin unter mir. Hatte heute Vermieter Wonisch auf den Lärm angesprochen. Zusammen gingen wir zu Erwin, der unter mir wohnt und seine Anlage immer um 2:00 Uhr nachts voll aufdreht. Mit zerknittertem Gesicht erschien er an der Tür und versprach, leiser zu sein. Na, mal abwarten ...

Ich habe das Gefühl, dass mein Leben in den letzten Zügen liegt. Schlimmer kann es jetzt kaum noch kommen. Was ich heute noch nicht wusste: Der eigentliche Horror hatte noch gar nicht begonnen ...

Donnerstag, 6. Oktober 2005:

Mich überraschte die Wirkung der 'Calmaben'-Schlaftabletten. Hatte um 22:00 Uhr zwei Stück genommen und schlief bis heute Morgen um 9:15 Uhr. Kam kaum aus dem Bett und fühlte mich schwindelig. Aber die Pillen scheinen gut zu wirken. Werde eine größere Packung nachkaufen. Die sind nicht so teuer.

Bekam einen Brief vom Callcenter 'Clientel'. Darin befand sich die erwartete Kündigung innerhalb der Probezeit sowie die Abrechnung für die zwei gearbeiteten Tage.

Außerdem erhielt ich nach fast zwei Monaten (!) einen Brief vom Sozialamt. Ich wurde gebeten, Kontoauszüge zu übersenden und nachzuweisen, wann ich in Österreich eingetroffen bin. Unglaublich! Dafür haben die zwei Monate gebraucht!

Psychologe Josef Haider ist nach seiner Krankheit wieder in der Beratungsstelle. Per E-Mail bot er mir einen Termin am 12. Oktober an - das ist ja erst in einer Woche! Viel zu spät.

Freitag, 7. Oktober 2005:

Hatte Haider eine E-Mail geschickt, dass mir der Termin am nächsten Mittwoch zu spät ist. Er rief heute Morgen an und bot mir ein Gespräch in der Mittagszeit an. Das Gespräch war wenig erfreulich und zeigte unzweideutig, dass es wirklich keine Lösung für mich gibt. Haider sprach immer wieder die Rückkehr nach Deutschland an, ohne jedoch zu erklären, wie ich das finanzieren soll. Alternativ erwähnte er die Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft (kein Witz!). Als ich beides ablehnte, konnte ich in seinen Gedanken förmlich lesen: 'Lehnt alle 'guten' Vorschläge ab!'

Ganz sachlich betrachtet: Ist eine Obdachlosenunterkunft für einen gut ausgebildeten Menschen mit Depressionen, der fast immer gearbeitet hat, nicht raucht, nicht trinkt und keine Drogen konsumiert, die geeignete Therapie?

Psychologe Haider bot mir lediglich einen weiteren Termin am kommenden Mittwoch an. Dann werde ich kein Geld mehr haben, dann wird mein Kühlschrank leer sein und dann werde ich auch kein gültiges Monatsticket für Bus & Straßenbahn mehr haben.

Ich fuhr in meine Wohnung zurück, wo sich gerade eine Kakerlake Zugang zu meinem fast leeren Kühlschrank machen wollte. Hartnäckiges Ungeziefer. Es sollte trotzdem die letzte Kakerlake sein, die ich in der Wohnung zu sehen bekam. Die Kälte in der Wohnung, die folgen sollte, forderte auch bei den noch so abgehärtesten Insekten ihren Tribut.

Samstag/Sonntag, 8./9. Oktober 2005:

An diesem Wochenende passierte absolut nichts. Lag nur im Bett. Hatte praktisch kein Geld mehr! Niemand, absolut niemand rief an. Ich fühlte mich sehr allein und war total verzweifelt. Hört sich wie Selbstmitleid an, ist es auch. Aber dazu stehe ich, weil jeder andere in meiner Situation auch so empfinden würde. Besonders bitter ist es, wenn sich gute Freunde abwenden, die stets da sind, wenn man vor guter Laune sprudelt, aber vollkommen unsichtbar sind, wenn es einem nicht so gut geht.

Montag, 10. Oktober 2005:

Habe Josef Haider einen Brief geschrieben, in welchem ich meinen Termin übermorgen absagte. Ich habe dann keine gültige Fahrkarte mehr und glaube auch nicht, dass dieses Gespräch noch etwas bringt.

Obwohl auch das überflüssig ist, habe ich dem Sozialamt meine Kontoauszüge und Flugtickets zugeschickt, die beweisen sollen, dass ich keinerlei Geld bekomme und wann ich in Österreich eingereist bin.

Dienstag, 11. Oktober 2005:

Jetzt gibt mein Nachbar Erwin Ruhe, was die laute Musik betrifft. Aber eine neue Mieterin scheint seinen Job zu ersetzen. Sie hat vor einigen Tagen die Wohnung des Ägypters bezogen und arbeitet offensichtlich als Prostituierte im 'hauseigenen' Puff. Die ganze Nacht läuft sie auf High-Heels zwischen ihrer Wohnung und dem Nachtclub hin und her - immer an meinem Fenster vorbei!

Offenbar läuft alles in großen Schritten auf meinen nächsten Suizidversuch hin. Am Wochenende wird es wohl so weit sein. Ich habe kein Geld mehr, niemand meldet sich mehr bei mir. Auch Psychologe Haider, der meinen Brief heute hätte bekommen müssen, ließ nichts von sich hören.

Mittwoch, 12. Oktober 2005:

Kurz nach 10:00 Uhr erhielt ich doch noch einen Anruf von Herrn Haider. Er hat auf mich gewartet. Offensichtlich hat er meinen Brief nicht bekommen, den ich ihm schon am Montag geschickt hatte. Wie auch immer: Er bat mich, am Nachmittag zu kommen. Obwohl ich keinerlei Sinn mehr darin sehe, sagte ich zu. Zunächst nahm ich wieder an der Großgruppe teil. Von den neunzig Minuten wurden sechzig leider nur geschwiegen. Anschließend hatte ich das Gespräch mit Haider. Er versuchte noch bei der Gebietskrankenkasse anzurufen, um herauszufinden, ob ich nun krankenversichert bin oder nicht. Aber dort war niemand mehr zu sprechen. Es war ja auch 'erst' 14:45 Uhr! Haider und ich verabredeten einen neuen Termin am kommenden Freitag. Dann wollen wir nochmals bei der Krankenkasse und beim Sozialamt anrufen und vielleicht auch bei meinem Onkel. Er gab mir eine 10er Karte für Bus und Straßenbahn mit, um damit heute nach Hause, morgen zur Theatergruppe und am Freitag wieder zum Termin kommen zu können.

Eine Woche ging es gut: Doch in der Nacht tobte wieder die Anlage meines Nachbarn Erwin. Ich machte kein Auge zu!

Donnerstag, 13. Oktober 2005:

Entsprechend gerädert war ich am Morgen. Ich blieb lange im Bett und dachte über mein Leben nach, dass sich so extrem zum Negativen gewendet hatte.

Mittags fuhr ich mit der 10er-Karte, die mir Psychologe Haider gestern gegeben hat, in die psychologisch-soziale Beratungsstelle, wo ich wieder an der Theatergruppe teilgenommen habe. Das war lustig und ich konnte mal wieder lachen. Aber dauerhaft helfen tut es nicht; ist nur positive Ablenkung.

Freitag, 14. Oktober 2005:

Obwohl wir tagsüber noch immer herrliches, warmes Altweibersommerwetter haben, herrscht nachts bei klarem Himmel leichter Nachtfrost. Das führt dazu, dass meine Wohnung jetzt morgens und abends bitterkalt ist. Erst recht im fensterlosen Bad! Da meine Wohnung nach Norden ausgerichtet ist, trifft kein Sonnenstrahl mehr die Fenster, die für ein kurzes Aufwärmen sorgen könnten.

Schon um 9:00 Uhr hatte ich heute einen weiteren Gesprächstermin bei Psychologe Haider in der Beratungsstelle Granatengasse. Auch heute blieb jegliche gute Nachricht aus:
1. Erwartungsgemäß bin ich nicht krankenversichert, obwohl ich die E-Card erhalten habe.
2. Mein Onkel Heinz hat mit meinem Vater bereits telefoniert. Fazit: Mit finanzieller Unterstützung kann ich nicht rechnen - weder von Onkel Heinz noch von meinem Vater! Ich fühle mich wie ein Aussätziger. Meinem Vater ist es vollkommen egal, ob ich lebe oder tot bin. Er schafft es nicht mal, mich anzurufen; ist ausschließlich mit sich selbst beschäftigt.


3. Das Sozialamt hat meinen Brief vom Montag nicht erhalten. Fünf Tage sind seitdem vergangen! Das kann nicht angehen! Das ist reinste Schikane! Was mich aber besonders stutzig machte: Der jetzt zuständige Sachbearbeiter mit dem Herr Haider sprach und zu dessen Händen ich auch die Kontoauszüge geschickt hatte, Martin Mitterfellner, wußte offenbar sofort, um was es geht. Haider brauchte weder Aktenzeichen noch Versicherungsnummer angeben. Sachbearbeiter Mitterfellner wußte, ohne nachschauen zu müssen - er habe keinen Brief bekommen!

Psychologe Haider ist nur noch nächste Woche in der Beratungsstelle; danach fährt er für drei Wochen zu einer Fortbildung. In der nächsten Woche hat er aber nur noch wenige Kurztermine zur Verfügung.

Samstag/Sonntag, 15./16. Oktober 2005:

Der Hund des Vermieters, Benny (Foto), wurde mal wieder allein gelassen. Er war viel bei mir und er spürt, was mit mir los ist. Das spüren Hunde immer. Unvergessen wie sich unsere Lady am 1. August 2002 benahm, als sich meine Freundin und ich trennten. Ihr trauriger Blick verfolgt mich bis heute und schnürt mir das Herz zu - sie hat auch alles gespürt. Man sieht es ihrem Gesicht an; sie suchen ganz besonders die Nähe und winseln leise.

Ich habe jetzt noch eine halbe Packung Toast, Nudeln (allerdings ohne Soße), fünf Eier und zwei Limonaden-Flaschen im Kühlschrank. Alles andere ist aufgebraucht. In der Geldbörse habe ich weniger als einen Euro. Durch die eisigen Nächte ist es sehr kalt in der Wohnung. Nur im Bett ist es aushaltbar. Richtig unangenehm wird es im Bad!

Ich grübelte stundenlang: Meinem Vater, Klaus, ist es vollkommen egal, wie es mir geht. Mein Tod wäre die Erlösung für ihn. Ich war sicher nicht immer der Parade-Sohn, aber das rechtfertigt sicher nicht dieses absolute im-Stich-lassen.

Und trotzdem fühle ich mich irgendwie erleichtert. Es wäre viel schlimmer, wenn man das Gefühl hätte, es könnte noch ein Wunder passieren. Ein Wunder, dass ich nie wirklich erwartet habe; aber vielleicht doch hätte eintreten können. Nach all dieser Quälerei wäre es nicht unverdient gewesen.

Faszinierend: Obwohl ich manchmal zwanzig Stunden am Stück im Bett liege, sind die Nacken- und Rückenschmerzen, die ich anfangs noch hatte, verschwunden. Wie schnell sich ein Körper doch an das ständige Liegen gewöhnen kann.

Montag, 17. Oktober 2005:

Um 14:00 Uhr hatte ich einen weiteren Termin beim Psychologen Haider im Beratungszentrum in der Nähe des Griesplatzes. Da sich meine prekäre Situation immer mehr zuspitzt, holte er sich heute noch eine Ärztin zum Gespräch dazu. Es ging darum, mich in die psychiatrische Klinik einzuweisen. Das hätte ich ja auch zugelassen, aber von meiner Zeit im Jahr 2002/2003 weiß ich nur zu gut, dass die mir auch nur ganz minimal helfen können. Und das würde nur eine Verlängerung meiner Leidenszeit bedeuten. Würde ich nur die geringste Möglichkeit sehen, dass es zu einem durchgreifenden Erfolg führt, auf den man anschließend aufbauen kann, würde ich sofort dahin gehen. Aber da ich nicht mal krankenversichert bin, bedeutet ein Klinikaufenthalt nur eine Krisenintervention mit schneller Entlassung. Und das will ich mir nicht mehr antun. Es läuft alles auf einen weiteren Suizidversuch hin. Wahrscheinlicher Termin: Samstag! Niemand kann sich auch nur ansatzweise vorstellen, wie traurig, wie enttäuscht, aber auch wie entsetzlich müde ich bin. Habe mir die Fotos aus Irland angeschaut. Noch Ende Juli 2005 habe ich riesige Seen per Boot überquert. Drei Monate später bin ich ein Wrack.

Dienstag, 18. Oktober 2005:

In meiner Wohnung waren es heute Morgen nur noch 12,9° C. Dabei beginnt der Winter offiziell erst in zwei Monaten. Alles, was ich anfasse, ist eiskalt: Gläser, Tassen, Teller. Das Duschen im bitterkalten Badezimmer ist der absolute Horror. Aushaltbar ist es nur im Bett. Aus Angst, dass die Kälte und Feuchtigkeit meinem Handy nicht gut tut, nehme ich es mit unter die Decke.

Mittwoch, 19. Oktober 2005:

Nehme jetzt jeden Tag Schlaftabletten, weil ich sonst kein Auge zu bekomme. Entweder lärmt Nachbar Erwin oder ich kann nicht schlafen, weil ich Magenschmerzen und Sodbrennen habe. Brauche unbedingt mein Medikament 'Nexium'.

Donnerstag, 20. Oktober 2005:

Ich ging zum Supermarkt. Habe mein Konto überzogen und so kaufte ich mir einige Lebensmittel. Hatte absolut nichts mehr im Haus. Der Kühlschrank war vollkommen leer. Aber ich habe kaum noch Hunger. Und erst recht keinen Durst, weil es in der Wohnung so kalt ist. Komme mit einer 2-Liter-Flasche Limo fast eine Woche aus; früher trank ich die an einem einzigen Tag. Im Supermarkt kaufte ich mir auch noch eine Flasche 'Ouzo'. Obwohl ich ja keinen Alkohol trinke, will ich jetzt testen, wie die Wirkung ist, wenn ich die Schlaftabletten nicht mehr mit Wasser, sondern mit einem oder zwei 'Ouzo' herunterspüle. Wenn ich einen weiteren Suizidversuch unternehme, darf nichts mehr schief gehen. Abends nahm ich zwei und spülte sie jeweils mit einem Schnapsglas 'Ouzo' herunter.

Habe auch einen Brief vom Arbeitsamt bekommen. Ich soll mich bei einem Callcenter in Graz-Liebenau bewerben bzw. gleich vorstellen gehen. Das kann ich knicken, denn ich habe keine Chance dorthin zu kommen, weil ich das Geld für Bus und Straßenbahn nicht habe.

Freitag, 21. Oktober 2005:

Schwer einzuschätzen, wie der Tabletten/'Ouzo'-Test verlief. Bin schnell müde geworden, wachte aber nachts immer wieder auf. Am Morgen war ich total müde und beim Gang ins Bad wurde mir schwindelig. Erst mittags ging es besser.

Bekam Post vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung (Fachabteilung 11a), dass meinen Antrag jetzt bearbeitet. Soll jetzt den Quittungsbeleg von der Spedition vorlegen, die mir seinerzeit die Kartons von Cork nach Graz transportierte. Habe diese Quittung natürlich nicht, weil Karin das damals alles für mich über ihre Firma arrangiert hatte, in der sie einmal pro Woche arbeitet. Ihr habe ich auch das Geld gegeben. In bar - und natürlich ohne Beleg.

Bin am Dienstag weder beim Schwimmen, am Mittwoch nicht bei der Großgruppe noch am Donnerstag in der Theatergruppe gewesen (alles organisiert vom Beratungszentrum). Das tangiert die überhaupt nicht, ob ich hingehe oder nicht.

Verspürte einen pochenden Schmerz in der Nierengegend. Wahrscheinlich die Kälte. Verliere von Minute zu Minute mehr meinen Lebensmut.

Samstag, 22. Oktober 2005:

Spiele schon seit einigen Tagen mit dem Gedanken, heute Abend eine größere Menge Tabletten zu schlucken. Ich befürchte, dass mich die 'nur' achtzig Tabletten (Schlaftabletten und Anti-Depressiva) vermutlich nicht töten werden. Es werden möglicherweise wieder nur Halluzinationen auftreten und früher oder später wache ich dann wieder auf. Andererseite: Nach meinem 1. Suizidversuch im März 2002 hätte ich es fast geschafft: Ich lag tagelang im Koma.

Kam dann aber auf die Idee, vorerst die Wirkung der rezeptfreien 'Calmaben'-Schlaftabletten zu testen. Die Einnahme einer Tablette wirkte ja bisher gar nicht. Zwei Tabletten am Stück hatte ich ja schon eingenommen, um überhaupt Schlaf zu finden, denn seit Wochen muss ich ja die lärmende Musik unter mir ertragen.

Am Ende eines weiteren schrecklichen Tages nahm ich am Abend fünfzehn 'Calmaben'-Tabletten ein und trank etwas 'Ouzo' dazu. Eine Stunde verging. Eine weitere verging. Wie erwartet, scheinen rezeptfreie Schlaftabletten nichts zu nützen. Ich nahm weitere fünf Tabletten - da war die Packung leer. Doch dann ging alles recht schnell und ich war mehr als überrascht, denn die Wirkung setzte mit voller Wucht ein. Mein Herz begann zu rasen, der Atem wurde etwas flacher. Und eh ich mich versah, waren die aus dem Jahre 2002 und 2003 bekannten Halluzinationen wieder da.

Obwohl ich seinerzeit in zwei unterschiedlichen Wohnungen lebte, waren die heutigen Halluzinationen mit denen von damals fast identisch. Ich war mir jederzeit bewußt, dass es sich um Halluzinationen handelte; war aber trotzdem überrascht, dass diese nach nur zwanzig rezeptfreien Tabletten einsetzten - in genau derselben Heftigkeit wie damals, als ich über 100 Tabletten eingenommen hatte.

Zuerst bewegte sich das Display meiner oben im Schrank stehenden Radiouhr langsam Richtung Fussboden. Das bekannte Kribbeln setzte in meinen Beinen ein und meine Hände gehorchten mir nicht mehr. Sie blieben fast wie gelähmt auf der Bettdecke liegen; sie schienen unerträglich schwer zu sein und ich konnte sie kaum heben, geschweige denn dazu zu bringen, sich gegenseitig zu berühren. Ich hörte die donnernden Bässe meines Nachbarn Erwin, die um Mitternacht eingesetzt haben (das waren 'leider' keine Halluzinationen). Die Halluzinationen wurden heftiger: Ich wollte den Lichtschalter meiner Bettlampe betätigen, doch da, wo die Lampe sonst war, griff ich ins Leere. Ich wollte etwas trinken, doch die Limonadenflasche war unauffindbar. Ich griff nach dem Tisch, sah ihn direkt vor mir, doch ich griff ins Leere. Meine Zähne mahlten übereinander. Doch das allerschlimmste war eine Geräusch-Halluzination, die ich als geradezu unheimlich empfand. Da die Wirkstoffe der Tabletten vermutlich dieselben sind wie damals, war das wahrscheinlich der einzig nachvollziehbare Grund, warum die Halluzinationen so ähnlich waren. Zurück zur Geräusch-Halluzination: Ich war nicht besonders müde; die Schlaftabletten führten also wie im September 2003 stundenlang nicht zum Einschlafen. Das Herzrasen sorgte für das Gegenteil. Und erst recht die Geräusch-Halluzination, denn jedes Mal, wenn mir die Augen zufielen, kam es zu diesem wirklich schrecklichen Geräusch, dass ich kaum beschreiben kann. Es war ein extrem lautes, ganz kurzes, metallisches Klatschen. Die extreme Lautstärke sorgte dafür, dass ich meine Augen wieder aufriss und nicht einschlief. Das Geräusch war so unangenehm, dass ich darauf achtete, dass meine Augen nicht wieder zufielen, denn genau in dieser Sekunde knallte es. Es war ein zutiefst unwirkliches Geräusch. Manchmal erinnerte es sogar an einen Schrei. Das Geräusch war nur den Bruchteil einer Sekunde lang, aber es bleibt unvergesslich, weil es so schrecklich war, obwohl ich mir jederzeit bewußt war, dass es sich um eine Halluzination handelte.

Sonntag, 23. Oktober 2005:

Irgendwann bin ich wahrscheinlich doch eingeschlafen. Um 3:00 Uhr hatte ich noch auf meine sich stetig wandernde Radiouhr geschaut. Ich erwachte, als gegen 6:30 Uhr der Morgen graute. Jetzt sah ich auch wieder meine Lampe; die Hände gehorchten mir besser; aber noch nicht perfekt, und die Beine taten unangenehm weh. Ich mußte auf die Toilette. Dort entwickelten sich noch einige Flecken an der weißen Wand zu sich bewegenden Insekten; aber die Halluzinationen ließen dann bald nach.

Ich habe dann noch etwas geschlafen; aber nicht viel. Der Tablettenversuch verlief nicht besonders erfolgreich. Wenn ich mich nur erinnern könnte, welche Tabletten es waren, die mich im März 2002 ins drei Tage dauernde Koma führten. Schon nach wenigen Minuten setzte damals die extrem massive Wirkung ein. Und schon nach kurzer Zeit bin ich damals eingeschlafen. Damals hätte ich es fast geschafft - wenn ich nicht entdeckt worden wäre.

Der Versuch im September 2003 verlief ja leider deutlich weniger erfolgreich, obwohl ich erheblich mehr Tabletten als 18 Monate zuvor eingenommen hatte.

Von nebenstehendem Artikel (April 2010) konnte ich heute noch nichts wissen. Ich war so niedergeschlagen. Ich soll offensichtlich unter allen Umständen weiterleben. Ich darf nicht sterben, aber auch nicht menschenwürdig leben. Ich lebe derzeit in einer Art von Zwischenwelt. So etwas wünscht man seinem ärgsten Feind nicht.

Ich war so fertig, dass ich die WEIL-Telefonnummer anrief, wo allerdings trotz wiederholter Versuche niemand abhob. Ich hatte gehofft, mit Rolf Crüsemann sprechen zu können (siehe 28. August 2005). Erst am frühen Nachmittag meldete sich eine Frau Rumpf, die heute Laien-Dienst hatte. Ich verabredete mich mit ihr. Sie holte mich vor dem Haus ab und wir fuhren in den Eggenberger Schloßpark. Jetzt merkte ich besonders, wie schwach ich auf den Beinen war. Wir führten ein Gespräch, wo ich zum x-ten Mal meine elend lange Geschichte erzählte. Am Ende gab es natürlich auch von Frau Rumpf keinen Lösungsvorschlag, der in irgendeiner Weise weitergeholfen hätte. Wußte ich ja vorher. Trotzdem war es angenehm, nicht allein gewesen zu sein. Ich bat sie, meinen Vater anzurufen, was sie auch tat. Aber das Interesse scheint mäßig zu sein. Es ist ihm vollkommen egal, wie es mir geht. Das Nichtwissen plagt mich zusätzlich: Was genau habe ich diesem Mann getan?

Montag, 24. Oktober 2005:

Ich ging heute wieder in die psychiatrisch-soziale Beratungsstelle in der Granatengasse - obwohl ich keinen Termin hatte. Psychologe Haider war ja bekanntlich auf Fortbildung. Ich sprach mit der Ärztin Dr. Schönauer-Cejpek (Foto), die bereits beim Gespräch am letzten Montag hinzugekommen war.

Ich bat um Aufnahme in die Tagesklinik, was die Ärztin aber ablehnte. Es hätte mir so gut getan, unter Menschen zu sein, nicht mehr den ganzen Tag im Bett liegen zu müssen, einen geregelten Tagesablauf zu haben, Ansprechpartner in der Nähe zu wissen, wenn es einem schlecht geht und trotzdem in der Lage sein zu können, meinen Briefkasten regelmäßig daheim auf Behörden-Post zu kontrollieren. Aber sie lehnte ab. Es gab auch keinen weiteren Termin, z. B. mit einem Vertreter von Haider. Auch nicht mit der Sozialarbeiterin. Obwohl ich kein Geld mehr habe und zunehmend hilflos bin ...

Vollkommen überraschend bekam ich einen Anruf von Karin! Das Gespräch verlief weitgehend belanglos. Ich freute mich trotzdem darüber.

Dienstag, 25. Oktober 2005:

Obwohl ich es nicht wollte, nahm ich doch (in Absprache mit Dr. Schönauer-Cejpek) die beiden Behördentermine wahr. Es war ein Fehler.

Am frühen Morgen musste ich einen noch feuchten Pullover anziehen. Die Wäsche trocknet in meiner kalten Wohnung nicht mehr; stattdessen verschimmeln die Wände. Außerdem taten mir meine Nieren bei jedem Schritt weh - es war ein unangenehm pochender Schmerz - vermutlich ausgelöst durch die Kälte in der Wohnung (und eher nicht durch die Tabletteneinnahme am Samstag). Ich hatte leichtes Fieber und fühlte mich entsprechend schlapp. Ich fuhr in die Hofgasse, wo sich ein übel grinsender Martin Mitterfellner im Sozialamt nicht im geringsten für meine Probleme und meine akute Situation interessierte. Ich übergab ihm weitere Unterlagen, die er kopierte. Das war's.

Ich fuhr zum 'AMS', um mich zu informieren, was ich jetzt tun solle, denn ausgerechnet jetzt, wo alles zu spät schien und wo all mein Geld aufgebraucht war, sollte ich zu einem Vorstellungsgespräch in das Zeitarbeitsunternehmen 'Hofmann' gegenüber der Stadthalle gehen. Ich müßte also theoretisch mindestens einen Monat ohne Essen und Getränke im Kühlschrank zu haben und ohne meine Miete und Strom bezahlen zu können, dort konzentriert arbeiten, ehe ich ein erstes Gehalt bekommen würde. Trotzdem empfahl mir der 'AMS'-Mitarbeiter, dorthin zu gehen. Allerdings bekam ich ein Monatsticket für den öffentlichen Nahverkehr; war also endlich wieder mobil.

Ich erschien bei der Zeitarbeitsfirma 'Hofmann'. Das Vorstellungsgespräch mit Herrn Pohl fand tatsächlich im Warteraum statt, wo noch unzählige andere Bewerber saßen und sich die langweilige Wartezeit verkürzten, indem sie dem Vorstellungsgespräch mit Augen und weit geöffneten Ohren folgten. Unfaßbar! Es sollte sich um eine unseriöse Callcenter-Tätigkeit handeln (was sonst?). Nicht in Graz, nein, im Nachbarort Kalsdorf, wo man nur mit der Bahn hinkommt, und wofür ich erst recht kein Geld hatte. Mein Gott, ist das alles trostlos! Eine Entscheidung über diesen Job fiel heute noch nicht. Vorweg: Ich habe niemals mehr etwas von ihm gehört.

Aber es ging noch heftig weiter. Zurück in meiner kalten Wohnung, bekam ich einen Anruf von meinem Vater. Der meinte allen Ernstes, ich solle meine € 200, die ich noch auf meinem deutschen Konto hätte, abheben, damit nach Deutschland reisen, alle meine Sachen hier in Graz zurück lassen, in Deutschland eine Wohnung anmieten (inkl. dreier Monatsmieten Kaution) - und damit sei das Problem gelöst. Meine Güte! So einen weltfremden Unsinn habe ich ja noch nie gehört. Ich legte sofort auf, war fix und fertig und war nicht mehr im Stande, mich weiter quälen zu lassen. Nie im Leben wäre meinem Vater in den Sinn gekommen zu sagen: 'Sohn, komme nach Norddeutschland; hier helfe ich dir weiter! Zusammen schaffen wir das schon!' Nie! Auch finanzielle Unterstützung hat er mir nicht angeboten; ich sollte alles(!) von € 200 finanzieren.

Karin rief auch heute an. Ihre Mutter ist krank und ihr jüngerer Sohn, erholt sich gerade von einer Erkältung. Unser Gespräch dauerte eine halbe Stunde. Es gab keinerlei konkrete Ergebnisse, trotzdem freute ich mich natürlich, dass sie sich meldete.

Mittwoch, 26. Oktober 2005:

In Österreich war heute Feiertag - Nationalfeiertag! In Wien fuhren die Panzer zur Waffenparade auf wie in Pjöngjang oder Moskau! Gleichzeitig frieren die Menschen in ihren Wohnungen.

Bei der Gratis-Zeitung 'Der Grazer' hatte ich ja am 19. September ein Vorstellungsgespräch. Mit Frau Kullnik hatte ich seinerzeit vereinbart, bis zur ersten Oktoberwoche mitzuteilen, ob ich Interesse hätte, was ich am 5. Oktober auch per E-Mail getan habe. Kullnik wollte sich dann ihrerseits bei mir melden, ob ich genommen werde oder nicht. Diese Benachrichtigung ist nicht erfolgt. Vereinbarungen scheinen hier absolut keine Bedeutung zu haben. Nachtrag: Kullnik nahm nur kurze Zeit später einen Job bei der Gratis-Zeitung 'o.k.' an, die widerum Mitte 2007 eingestellt wurde.

Donnerstag, 27. Oktober 2005:

Seit Wochen hat es nicht mehr geregnet. Tagsüber sind es immer noch 20 Grad oder mehr. Man kann im T-Shirt durch die Straßen gehen. Und das im Oktober! Schade, dass ich dieses schöne Wetter so wenig habe genießen können.

Heute kam das Formular 'E301' aus Dublin bei mir an. Statt der zugesagten zwei Monate hat die Bearbeitung fast drei Monate gedauert!

Freitag, 28. Oktober 2005:

Das Dokument 'E301' habe ich heute beim 'AMS' abgegeben. Dabei traf ich wieder einmal auf Sachbearbeiter Sturm, der ja stets sehr freundlich und hilfsbereit war. Er betonte, dass ich mir die langsame Bearbeitung meines Antrages vom Sozialamt nicht gefallen lassen solle und zur Not zu einem Vertreter der Landesregierung gehen solle.
Da ich jetzt drei Monate arbeitslos bin, sprach Sturm auch die Möglichkeit des Besuchs einer Weiterbildung an.

Samstag/Sonntag, 29./30. Oktober 2005:

Das Wochenende war an Trostlosigkeit nicht zu überbieten. Ich vegetierte in meiner Wohnung herum und fühlte mich schrecklich allein. Das Fehlen der 'Nexium'-Tabletten bereitet mir immer größere Beschwerden: Das Brennen in der Speiseröhre ist speziell in der Nacht kaum noch auszuhalten.

Ein Leser meiner Seiten schrieb mir vier Jahre später, am 13. Juli 2009, dass das Versagen von Hilfe in dieser Zeit seitens des Sozialamtes vollkommen rechtswidrig war. Als EU-Bürger hätte man mir helfen müssen. Warum ich das erwähne? Weil diese Hilfsverweigerung des Grazer Sozialamtes so fatal war, dass damit die völlige Zerstörung meines Lebens eingeleitet wurde:


Hätte mir das Sozialamt in diesen Wochen geholfen, wäre nicht das geschehen, was jetzt passierte. Das Grauen sollte jetzt erst richtig beginnen. Eine kaum vorstellbare Kettenreaktion hatte sich in Gang gesetzt ...

Montag, 31. Oktober 2005:

Ich war an einem weiteren Tiefpunkt angelangt, wo ich absolut nicht mehr weiter wußte und auch keinen Berater/Ansprechpartner mehr hatte. Heute gabelte sich der Weg: Ein weiterer Suizidversuch, der womöglich wieder so scheiterte wie im Herbst 2003? Oder sollte ich mich wirklich in die Psychiatrie einweisen lassen, wie Psychologe Haider so oft vorgeschlagen hatte? Ich entschied mich für den zweiten Weg; hatte aber enorme Zweifel, die absolut berechtigt waren, wenn man den Verlauf der nächsten drei Wochen weiter verfolgte.

Ich packte meine Tasche zusammen und fuhr in die Beratungsstelle in der Granatengasse. Psychologe Haider war ja, wie bekannt, auf einer Weiterbildung. Da er mir aber seinerzeit angeboten hatte, dass ich in die Klinik begleitet werden könne, fuhr ich trotzdem hin - zum einen, weil ich gar nicht wußte, wo genau sich die 'Sigmund-Freud'-Klinik befand und auch um denen in der Beratungsstelle Bescheid zu geben - telefonisch konnte ich das nicht erledigen, weil ich keinerlei Guthaben mehr auf meinem Handy hatte.

Im Beratungszentrum in der Granatengasse, wo ich zuvor immer freundlich und sehr respektvoll behandelt worden bin, traf ich heute auf die Ärztin Dr. Copony (Foto). Sie stürzte, kaum das ich in der Tür stand, auf mich zu und überschüttete mich mit Vorwürfen. Erst dachte ich, dass es sich um eine Verwechslung handeln müsse. Ich wußte in dieser Minute auch noch gar nicht, wer diese Frau war, die mich zu kennen schien; ich sie jedoch noch nie gesehen hatte.

So ginge das ja alles nicht - und überhaupt. Die Frau war genervt und gestresst, weil der heutige Montag in ihren Augen kein normaler Montag, sondern ein Brückentag war, weil ja morgen Feiertag sei. Das müsse man doch schließlich wissen! Sie bestritt partout alles, was Haider mir im Laufe der Woche geraten hatte: Ich solle hier im Beratungszentrum Bescheid sagen, den Namen des Klinik-Mitarbeiters in der Verwaltung nennen, der meinen Fall kenne und über meine fehlende Krankenversicherung informiert sei.

Schließlich, aber nur ganz langsam, beruhigte sich die Ärztin und organisierte, dass mich der freundliche Zivi, Rene, per Bus in die Klinik begleiten könne. Zusammen erreichten wir die Klinik. Rene verabschiedete sich und ich stand vor der Ärztin, die mich aufnehmen sollte, Dr. Draxler. Auch sie war überhaupt nicht freundlich und bestritt sogar, dass es hier Sozialarbeiter und Psychologen gäbe, die sich um mich kümmern könnten. Man könne lediglich medikamentös versuchen, etwas für mich zu tun - und überhaupt, spätestens am Freitag müsse ich wieder gehen, da wirklich schwerkranke Patienten dann mein Bett bräuchten. Immer und immer wieder traf ich hier in Österreich auf diese mehr oder weniger versteckten Schmarotzer-Vorwürfe.

Ich kam auf die im ersten Augenblick wenig einladende Station 'PS32' im Gebäude der Psychiatrie III. Es handelte sich um eine reine, offene Männerstation. Ein Teil war abgesperrt, der 'geschlossene' Bereich. Ich kam auf Zimmer 13, einem 4-Bett-Zimmer. Psychose-Patient Kurt war der einzige, der ruhig war und zumindest einigen Worten folgen konnte. Die anderen beiden Patienten, Engelbert und Franz, waren kaum ansprechbar. Sie lachten und stammelten herum; Franz jodelte sogar und schien dabei nicht unglücklich.

Ich traute mich nicht das Zimmer zu verlassen. Zu schrecklich waren diese ersten Eindrücke. Mußte das wirklich wieder sein? Wieder Psychiatrie? Ich war umgeben von schwerst-gestörten Patienten! Ich blieb im Bett und hatte keinen Hunger. Ich habe viel geschlafen, obwohl es im Zimmer sehr unruhig war. Das sollte ich spätestens um 2 Uhr nachts zu spüren bekommen, wo Patient Engelbert die Nachtruhe 'offiziell' beendete, indem er immer wieder die Neonbeleuchtung an- und ausschaltete; eine Methode, die er offensichtlich in einschlägigen Foltercamps erlernt hatte. Er redete fortan mit allen im Zimmer, ging immer wieder rein und raus. Ich machte kein Auge mehr zu.

Zur Erinnerung: Dass ich jetzt hier in der 'Sigmund Freud'-Klinik bin, lag daran, dass mir jegliche finanzielle Unterstützung verweigert wurde, was einer völlige Existenzvernichtung gleichkam und meine Depressionen und Suizidgedanken auslöste. Zudem hatte ich große Schmerzen, weil ich als Folge der verweigerten Unterstützung nicht krankenversichert war. Dabei war das, was das Grazer Sozialamt getan hat, in jeder Hinsicht rechtswidrig, was ich in diesen entscheidenden Minuten, die mein Leben völlig zerstören sollten, nicht wusste:

Das, was an Grauen in der Grazer 'Sigmund Freud'-Klinik geschehen sollte, in die ich mich heute freiwillig begeben hatte, traumatisierte mich für immer:

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