Michaels Reisetagebuch - Michael Schubert berichtet in seinem Erfahrungsbericht über schwere Missstände in Graz/Österreich



Inhalt:
I. Ankunft in Graz
II. Erste Schikanen der Grazer Behörden (diese Seite ist aufgerufen)
III. Drohende Eskalation
IV. Erschreckende Erlebnisse in der 'Sigmund Freund'-Klinik
V. Wer ist der dicke Mann?
VI. Neuer Suizidversuch
VII. Vertuschung und Abstrafung
VIII. Richtung Winter
IX. Mangelndes Vertrauen
X. Krankheiten und Schmerzen
XI. Epilog
Bilder meiner Wohnung
Schauerliches aus der österreichischen Presse
Stimmen der Leser (Gästebuch)     Häufig gestellte Fragen
E-Mails an Politiker, Medien & Hilfsorganisationen

Auf dieser Seite erfahren die Leser, welchen Stellenwert ein Begriff wie Menschlichkeit für Grazer Behörden hat; wie wenig wichtig Gesundheit und das Menschenleben an sich von den verantwortlichen Beamten angesehen wird. Das eigentliche Grauen an meinen Grazer Erfahrungen ist die Erkenntnis, was eine Stadt mit Menschen in Not in der Lage ist, zu tun. Ein Leben zählt hier nicht viel ...

Donnerstag, 1. September 2005:

Der Ombudsmann von der 'Kleinen Zeitung' hatte empfohlen, mich bei der Gebietskrankenkasse freiwillig zu versichern. Das würde monatlich etwa € 75 kosten und dann würde ich wenigstens die Medikamente bekommen, die ich bräuchte. Bis gestern hatte ich noch 'Euthyrox 100' (Schilddrüsenhormone) und 'Nexium 20' (Magenschutz). Die hatte ich noch in Irland verschrieben bekommen. Jetzt sind beide Packungen leer. Gleich um 8:00 Uhr fuhr ich zur Gebietskrankenkasse: Bernd Draxler betonte, dass sei Unsinn, was der Ombudsmann gesagt habe. Ohne je in Österreich gearbeitet zu haben, könne ich mich nicht freiwillig versichern. Mein Eindruck ist schon seit langem: Hier weiß die eine Hand nicht, was die andere tut. Man ist lediglich froh, jemanden an eine andere Adresse abschieben zu können, damit man zügig zu seiner amtlichen Ruhe zurückkehren kann. Von Bürgerservice hat man hier auch im frühen 21. Jahrhundert noch nie jemand etwas gehört. Wie Deutschland ist auch Österreich eine Service-Wüste - das fällt einem nach zwei Jahren in Irland und fünf Jahren in England besonders deutlich auf.

Draxler schickte mich (Foto links) stattdessen zur 'Caritas' am Griesplatz bzw. in meine Nachbarschaft, in die Karl-Morre-Straße. Dort würde man Medikamente bekommen können. Am Griesplatz handelte es sich jedoch um ein damals noch geöffnetes Asylbewerberheim (inzwischen geschlossen). Der dort an der Rezeption sitzende junge Mann hatte allein 10 Piercings im Gesicht. Er schaute mich wohl genauso verduzt an wie ich ihn. Er wußte gar nicht, was ich wollte oder wollte es auch gar nicht wissen.
Bei der 'Caritas' in der Karl-Morre-Strasse handelte es sich um einen Second-Hand-Shop, wo die Mitarbeiter derart in ihre Privatgespräche vertieft waren, dass sie mich zwar haben kommen sehen, sich jedoch nicht weiter um mich kümmerten. Medikamente bekam ich hier natürlich keine. Aber warum schicken einen die Behördenmitarbeiter von Pontius nach Pilatus? Wissen sie es nicht besser oder machen sie das mit Absicht?

Ich war so frustriert, dass ich zum Postamt ging und € 300 von meinem Konto nahm, um es per Einschreiben an Karin zu schicken. Ich hatte nicht vergessen, wie sie mich in ihrer SMS als vermeintlichen Schmarotzer hinstellte, obwohl sie all das freiwillig und gern getan hat, wie sie vorher immer wieder betont hatte. Jetzt war ich um € 300 ärmer und meine Situation hat sich dadurch nochmals deutlich verschärft.

Freitag, 2. September 2005:

Karin hat mein Einschreiben bekommen; will ihre beleidigenden und ehrabschneidenden SMSs natürlich so nicht gemeint haben. Die € 300 gab sie mir aber auch nicht zurück.

Samstag, 3. September 2005:

Zumindest sahen wir uns mal wieder. Wir frühstückten bei schönem Wetter zusammen am Schwarzlsee in Unterpremstetten. Karin hatte neue Ideen. Unter anderem schlug sie vor, meinen Lebenslauf überarbeiten und straffen zu wollen. Der sei zu lang. Sie wollte mit meinem Onkel Heinz in Hamburg hinsichtlich einer Finanzspritze für mich reden. Heute wusste ich noch nicht, dass mein Onkel in einem Jahr sterben sollte. Ich würde ihn lebend nicht mehr zu Gesicht bekommen; Nicht mal zu seiner Beerdigung würde ich fahren können.

Karin wollte in ihrer Nachbarschaft mit einem Vermieter sprechen, der Wohnungen frei hatte und dieses an der Strasse mit einem Schild annoncierte. Und sie wollte mir die Haare schneiden. Wir planten weitere Wanderungen, Kinobesuche usw. Nichts davon trat ein.

Sonntag, 4. September 2005:

Auch heute traf ich mich mit Karin. Ihr 10-jähriger Sohn T. war mit dabei. Am 'Thaler See' (Foto) fuhren wir zusammen Tretboot. Ihr zweiter Sohn, der fast 13-jährige S., war bei einem Freund. Später waren wir dann zu viert beim Schnitzel-Essen. Nicht nur mir fiel sofort auf, dass S. etwas merkwürdig war.

Karin schenkte mir heute das kleine Büchlein 'Du bist nicht allein'. Auf dem Buchrücken stand geschrieben: 'Zeichen der Freundschaft: Jemanden an seiner Seite zu wissen, der immer für einen da ist, ist ein wunderbares Geschenk'. Wie verlogen! Heute wußte ich noch nicht, dass Karin mich nach nur wenigen Wochen vollkommen im Stich lassen würde.

Montag, 5. September 2005:

Auch heute war das Wetter schön. Karin, ihre zwei Kinder und ich wollten heute am 'Thaler See' grillen. Das kleine Dorf Thal ist der Geburtsort von Arnold Schwarzenegger. Der Tag ging schnell in ein Desaster über. S. war eifersüchtig auf mich. Er wollte nichts von dem essen, was ich zubereitete. Ich ließ ihn bocken. Aber dann ging er mehrmals auf seine Mutter los. Erst bedachte er sie mit Schimpfworten, später hat er sie dann mit großen Mengen Herbstlaub beworfen. Der Gipfel war jedoch, dass er sie mit seiner Faust voll auf den Rücken schlug. Ich hielt mich deutlich zurück, wußte jedoch nicht, ob das richtig war. Karin blieb ihrem Sohn gegenüber weiterhin sachlich und ruhig. Das nützte aber nichts. Stundenlang änderte sich an der aggressiven Stimmung nichts. Besonders leid tat mir der kleine T., der unter diesen Szenen sichtlich litt.

Es sollte das letzte Treffen mit mir und den Kindern sein.

Dienstag, 6. September 2005:

Auf meine zahlreichen Bewerbungen bekam ich entweder nichts zu hören oder eine Absage nach dem Motto, ich sei überqualifiziert. Ausnahme bleiben die Callcenter, die mich nur zu gern zu Vorstellungsgesprächen einladen. So heute Frau Fras vom Callcenter 'Call and Mail' in der Nähe des Schwarzenegger-Stadions. Sie kündigte an, dass ich am Mittwoch (14. September) beginnen könne. Die Schulung erfolgt von Mittwoch bis Freitag (14.-16. September). Erster Arbeitstag wäre dann der Montag darauf (19. September).

Am Nachmittag hatte ich dann den Psycholgen-Termin in der Hilmgasse (Klinik für Therapie). Ich hatte schließlich doch noch einen Rückruf von Frau Vogel erhalten. Das Gespräch mit Herrn Schersinka dauerte eine gute Stunde und mir wurde daraufhin ein Termin bei Josef Haider im psychologischen Beratungszentrum in der Granatengasse gegeben.

Mittwoch, 7. September 2005:

Hatte heute einen ersten Termin im psychologischen Beratungszentrum in der Granatengasse (Nähe Griesplatz). Psychologe Josef Haider (Foto) machte einen freundlichen und kompetenten Eindruck. Er und seine Praktikantin gaben mir eine Reihe von guten (u.a. Begleitung zu Grazer Behörden, Gespräch mit Sozialarbeiter) und einigen weniger guten Tipps (Fahrkarte zur deutschen Grenze, was nur die Kosten für die Fahrkarte betraf und damit einer Reise ins Nichts gleichkam, denn wo sollte ich wohnen?). Aber meine allgemeine Müdigkeit nahm immer mehr zu. Der Frust überwiegt derart, dass meine Bewegungen sichtlich langsamer werden. Zudem hatte ich gesundheitliche Probleme, weil ich meine Medikamente seit einer Woche nicht mehr habe nehmen können.

Was ich stets ahnte, mir so in Irland auch erklärt wurde; nach der Ankunft aber bestritten wurde: Ich hätte als EU-Bürger Anspruch auf soziale Leistungen. Dieser Artikel stammt aus dem Jahr 2009, was mir damals unbekannt war - und genau das wurde ausgenutzt.

Donnerstag, 8. September 2005:

Von Karin hörte ich immer weniger. Sie hatte kaum noch Zeit. Ab und zu kam mal eine SMS. Hatte heute Mittag einen zweiten Termin bei Herrn Haider und seiner Praktikantin. Er schickte mich in die 'Marienambulanz' der 'Caritas' in der Keplerstraße. Hier sollte ich meine Medikamente bekommen. Dort war es sehr voll. Viele Asylbewerber waren hier und warteten auf einen Arzttermin. Es dauerte lange, bis ich an der Reihe war. Die betagte Ärztin versuchte mir Blut abzunehmen, stach immer wieder zu, schaffte es nach längerer Zeit dann doch. Es wurde ein Blutzucker- und Urintest gemacht. Außerdem wurde mein Blutdruck gemessen. Morgen solle ich noch zum Röntgen ins Gesundheitsamt gehen. Meine Medikamente bekam ich auch hier nicht. Erst müssten die Befunde vorliegen und das dauert eine stolze Woche. Stattdessen bekam ich Placebo-Beruhigungstropfen. Ich fragte mich sowieso, welchen Sinn Blutwerte haben, wenn das Blut um 14:00 Uhr abgenommen wird; ich also bereits etwas gegessen und getrunken hatte ...

Freitag, 9. September 2005:

Gleich am Morgen erschien ich pünktlich um 8:00 Uhr im Gesundheitsamt zum Röntgen. An der Garderobe hing ein Zettel mit der Aufschrift 'Röntgen'. Er wies zur linken Tür. Dort klopfte ich an, niemand öffnete. Wieder wußte ich nicht, was ich machen sollte. Ich ging in eine andere Tür, wo ich Stimmen hörte. Ein Mann sagte: 'Da sollte aber jemand sein'. Wie von einer Tarantel gestochen, schoß plötzlich eine unverschämte Frau herbei, die meinte, ich müsse halt noch warten. Ihr Ton war eine einzige Frechheit. Ich legte ihr den Röntgen-Zettel auf den Tisch und verschwand. Sie kann sich selbst röntgen.

Diese vielen, kleinen, unfreundlichen Episoden sorgten mittlerweile dafür, dass es mir schnell immer schlechter ging. Ich war so frustriert, dass ich mich dazu entschloß in das psychologische Beratungszentrum am Hasnerplatz zu fahren, wo ich schon vor einigen Tagen einen Termin bekommen habe. Um 11:00 Uhr war ich dort und sprach mit Elke Pieber (Foto), einer Deutschen aus Baden-Baden. Sie hörte mir ein Stündchen zu, sagte am Ende aber auch nur, dass ich am besten weiter mit Josef Haider sprechen solle. Der nächste Termin war allerdings erst am Dienstag.

Wie in Trance fuhr ich nach Hause. Alles tat mir weh, es ging mir so richtig mies.

Samstag, 10. September 2005:

Karin und ich wollten uns heute eigentlich treffen. Sie hatte aber Bedenken wegen S.'s Eifersucht mir gegenüber. Also ließen wir es bleiben. Ich blieb den ganzen Tag im Bett, war vollkommen erschöpft und staunte, wie lange und wie oft ich tagsüber schlafen konnte. Mein Körper gibt allmählich auf.

Sonntag, 11. September 2005:

In Irland hatte ich Anti-Depressiva ('Efexor XL' und 'Lexapro') und Schlaftabletten ('Halcion' und 'Trilam') verschrieben bekommen. Die habe ich nicht genommen, sondern gesammelt für den Moment, dass es mir wieder so elendig geht wie 2002 und im September 2003. Damals hatte ich zwei Suizidversuche unternommen - als Folge der Trennung von meiner Freundin, dem gleichzeitigen Verlust (ihrer) Kinder, dem Hund und der Wohnung. Es ist erschütternd miterleben zu müssen, dass ich nach nur fünf Wochen in Graz in solch eine Situation kommen konnte. Auch in Irland ging es mir nicht immer besonders gut, aber bei weitem nicht so schlecht wie jetzt hier.

Der Nachbar unter mir hatte seine Musikanlage wieder auf volle Dröhnung gestellt. Das nahm ich mit zum Anlass, die Schlaftabletten auf ihre Wirkung zu testen. Ich nahm zwei davon.

Montag, 12. September 2005:

Ich habe tief und fest geschlafen, wachte am Morgen aber normal auf. Ich blieb den ganzen Tag im Bett und schlief immer wieder ein. Gegen Mitternacht nahm ich fünf weitere Schlaftabletten als zweiten Test.

Dienstag, 13. September 2005:

Ich schlief bis fast 14:00 Uhr und verpasste so den Termin beim Psychologen Haider, der um 10:30 Uhr gewesen wäre. Ich rief im Beratungszentrum an, sagte, wie schlecht es mir ginge und solle morgen früh einen neuen Termin mit Haider verabreden.

Von Karin hörte ich kaum noch ein Wort.

Mittwoch, 14. September 2005:

Ich rief gleich am frühen Morgen bei Josef Haider an und konnte auch sofort kommen. Auf dem Weg zur Bushaltestelle wurde mir sehr schwindelig. Das besserte sich dann aber. Haider wollte mich gleich in die psychiatrische Klinik 'Sigmund Freud' einweisen, was offenbar auch ohne Krankenversicherung möglich sei. Aufgrund meiner Erfahrungen 2002 und 2003 wußte ich aber, dass ich so meine finanziellen Probleme auch nicht lösen könne. Ich schlug die Idee nicht aus, meinte aber, es sei vielleicht besser, heute Nachmittag an der Schulung vom Callcenter 'Call and Mail' teilzunehmen. In die Klinik könne ich morgen oder übermorgen immer noch gehen.

So geschah es dann auch. Neun Frauen und ich nahmen an der Schulung teil. Es ging darum, Privatleuten ein Zeitungs-Abonnement der 'Presse' aufzudrängen. Fast alles war wieder anders als noch letzte Woche besprochen. Die Schulung würde heute und an zwei Tagen in der nächsten Woche stattfinden. Doch erst am 26. September solle die eigentliche Arbeit beginnen - nicht schon am kommenden Montag, wie zunächst angekündigt. Der Verdienst ist skandalös gering. Es gibt nicht mal ein Grundgehalt. Man arbeitet allein auf Provision. Uns wurde mitgeteilt, dass man am Anfang als Teilzeitkraft sicher kaum die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten werde. Das bedeutet aber auch, dass ich dann weiterhin nicht krankenversichert wäre. Fast alle Schulungsteilnehmer schauten mehr oder weniger geschockt drein. Es wurde deutlich, dass beim Vorstellungsgespräch jedem etwas anderes gesagt wurde. Für mich war dieses Thema damit erledigt. So unseriös arbeiten diese Callcenter-"Legebatterien"..

Donnertag, 15. September 2005:

Um 11:30 Uhr hatte ich dann einen weiteren Termin in der 'Caritas-Marienambulanz'. Ich sollte ein Gespräch mit dem Psychiater Dr. Gerald Ressi (Foto) führen. Doch die Tür der Ambulanz war verschlossen. Auch auf das Klingeln der Glocke reagierte niemand. Natürlich wußte niemand etwas und so war ich nahe dran, gleich wieder zu gehen. Doch unten an der Rezeption rief jemand in der Ambulanz an und so wurde mir zumindest die Tür geöffnet. Wo Dr. Ressi war, wußte allerdings keiner. Ich hörte, wie das Personal zahlreiche Telefonate führte, doch erst nach über einer halben Stunde konnte man ihn erreichen. Er nahm an einer Konferenz im Stadtteil Mariatrost teil, von der er vorher angeblich nichts wußte. Warum man mich aber nicht hat informieren können, bleibt ein Rätsel. Es hieß jetzt, Dr. Ressi sei unterwegs, er käme um 12:30 Uhr. Letztendlich war es 13:05 Uhr, als ich zu ihm durfte. Er war der erste, der sich entschuldigte und für lange Zeit der letzte. Er war sehr freundlich, hörte geduldig zu, bis die Stunde um war. Er gab mir ein Rezept für das Medikament 'Euthyrox 100' und eine Packung 'Nexium 20' aus dem Bestand der Ambulanz. Das war's. Wie es weitergeht? Er hatte offensichtlich auch keine Idee.

Und was mir nicht nur heute an der 'Marienambulanz' auffiel: Kein einziger EU-Bürger wartete hier auf Behandlung. Ich war der Einzige! Warum? Weil alle anderen EU-Bürger krankenversichert waren. Nur ich nicht! Warum?

Schon vor Tagen hatte ich meinen Freund Hans-Henning Born (aus Bad Grönenbach/Bayern) darum gebeten, mal bei mir anzurufen. Aber der Anruf blieb aus. Ich fühlte mich abgrundtief einsam und alleingelassen.

Meine Güte, was hat mir Karin noch in Irland alles versprochen. Sie würde mir bei allem helfen, mich immer unterstützen und mich sicher nie im Stich lassen. Und ich Dummkopf falle darauf herein. Aber Karin kann einem auch leid tun. Sie ist in dieser Sekte gefangen, die permanent Druck ausübt und ihre Mitglieder -nicht nur finanziell- abhängig macht, so dass sie, auch wenn sie wollte, es sich gar nicht leisten könnten, auszubrechen.

Freitag, 16. September 2005:

Ich hatte heute Morgen um 9:00 Uhr ein weiteres Gespräch bei Josef Haider, der sich gut um mich kümmert. Ich informierte ihn über ein weiteres Vorstellungsgespräch am Montag ('Grazer Zeitung').

Ich bewarb mich per E-Mail bei einem weiteren Callcenter ('Clientel' in der Brückenkopfgasse) und bekam schon nach zwanzig Minuten einen Anruf von denen mit der Bitte, am Montag um 14:00 Uhr vorbei zu kommen.

Von Karin bekam ich eine SMS: 'Brauche jetzt Zeit und Kraft für mich und meine Kinder.' Das wars. Danach habe ich vorerst nichts mehr von ihr gehört.

Samstag, 17. September 2005:

Über Nacht gab es einen heftigen Kälteeinbruch. Der Herbst steht jetzt vor der Tür. Ich bekam einen ersten Eindruck, welche Temperaturen mich in meiner Wohnung (Nordseite) erwarten werden. Öl hatte ich immer noch nicht. Das würde mich geschätzte € 350 (für den gesamten Winter) kosten. Soviel Geld habe ich nicht mehr.

Sonntag, 18. September 2005:

Heute war es in der Wohnung noch kälter. Von Karin hörte ich kein einziges Wort. Nachmittags schrieb ich diesen Text am Computer und lag ansonsten nur im Bett. Draußen im Vorgarten winselte Hund Benny, das es einem das Herz bricht. Vermieter Wonisch hat ihn wieder allein draußen gelassen - und das bei dem naßkalten Wetter. Ich konnte ihn nicht mir nehmen, weil der Gartenzaun dazwischen war.

Montag, 19. September 2005:

Weder hat das Sozialamt bisher über meine Berufung entschieden noch habe ich eine Stromrechnung erhalten.

Obwohl eine Stellenanzeige des 'Romantik Parkhotel' erst am Samstag in der 'Kleinen Zeitung' inseriert war; ich mich am gestrigen Sonntag beworben hatte, bekam ich schon am heutigen Montagmorgen die Absage: Die Stelle sei schon besetzt.

Bei strömendem Regen fuhr ich in die Stadt. Ich hatte ein Vorstellungsgespräch bei der kostenlosen Wochenzeitung 'Der Grazer' in der Mariahilferstraße. Frau Hannelore Kullnik betonte immer und immer wieder, wie kompliziert der Anzeigenverkauf sei und wie nervtötend der Anfang sei. Das Anfangsgehalt beträgt magere € 1.090 zzgl. 8% Provision. Bis Anfang/Mitte Oktober will sich Frau Kullnik entschieden haben und bis Ende Oktober soll es dann mit einer 3-4-tägigen Schulung losgehen.

Um 14:00 Uhr hatte ich ein weiteres Vorstellungsgespräch. Dieses Mal im Callcenter 'Clientel' in der Brückenkopfgasse in unmittelbarer Nähe vom Griesplatz. Callcenter-Leiter Schenk informierte die fünf Anwesenden (alle -außer mir- extrem junge Teenager; teilweise noch nicht mal 18 Jahre alt) über das, was auf uns zukommen soll. Entweder soll man den Leuten ein 'Premiere'-Abo aufdrängen oder sie sollen ein Zeitungs-Abonnenment ('Salzburger Nachrichten') bestellen. Einzig positiver Unterschied: Es gibt hier ein Grundgehalt in Höhe von stolzen € 6 pro Stunde zzgl. Provision je nach Kampagne (von einem Mindestlohn hat man in Österreich noch nie etwas gehört; da verdient man sogar bei 'McDonalds' in Irland mit fast € 8 mehr). Bis Mittwoch will sich Schenk entschieden haben.

Dienstag, 20. September 2005:

Draußen war es naßkalt - und in meiner Wohnung bekomme ich meine Wäsche nicht mehr getrocknet. Um 12:30 Uhr hatte ich einen weiteren Termin bei Psychologe Haider in der Beratungsstelle Granatengasse. Es ging um die Möglichkeiten, zügig eine finanzielle Spritze zu bekommen.

Abends rief mich Karin an. Das Gespräch dauerte ewig. Um so länger es dauerte, um so frustrierter wurden wir beide, denn unterm Strich kommt nichts raus. Ich kann mit Karin nicht vernünftig reden. Sie hört sich alles an, danach verläßt es sofort wieder ihren Kopf - bis zum nächsten Mal. Da geht die Leier dann wieder von vorn los.

Mittwoch, 21. September 2005:

Schon um 9:00 Uhr traf ich mich mit Psychologe Haider an der 'Arche 38' am Eggenberger Gürtel in der Nähe des Grazer Hauptbahnhofs. Dort befand sich eine soziale Beratungsstelle. Aber eigentlich war es eine Obdachlosenunterkunft für Männer. Der dortige Sozialarbeiter war bestimmt noch keine 18 Jahre alt und entsprechend wenig konnte er mir helfen. Ich war froh, dass Haider dabei war.

Ohne ihn ging ich dann in die Pfarre 'Schutzengel' in die Hauseggerstraße 72. Die dort zuständige Eva Riegler war sehr freundlich. Sie füllte ein sogenanntes 'Erhebungsblatt' aus, mit dem ich morgen wieder zur 'Caritas' in die Keplerstraße gehen solle. Die Odyssee ging auch am 50. Tag in Graz unvermindert weiter.

Nachmittags nahm ich an einer Gruppenrunde in der psychologischen Beratungsstelle in der Granatengasse teil. Die Teilnehmer gehörten der Tagesklinik an und kannten sich untereinander. Ich fühlte mich ein wenig fremd, obwohl mich die angesprochenen Themen sehr interessierten. Allerdings ging es mir danach schlechter, denn ich erkannte, dass andere -so schlecht es denen auch gehen mag- immer noch irgendwo eine Stütze haben - auch wenn es nur Freunde oder Familienmitglieder sind, mit denen die sich treffen können. Nicht mal die habe ich hier in Graz.

Donnerstag, 22. September 2005:

Pünktlich um 8:30 Uhr erschien ich im 'Caritas'-Gebäude in der Keplerstraße, wo ich einen Termin bei Frau Geißler in Raum 109 hatte. Es ging um eine einmalige Finanzspritze (siehe gestern). Sie fing aber sofort damit an, dass sie das eigentlich für EU-Bürger bzw. Touristen nicht tun könnten. Sie könnte mir lediglich eine Notunterkunft anbieten bzw. eine Rückfahrt nach Deutschland. Kaum ausgesprochen stand ich auf und ging. Minuten später rief Psychologe Haider an und sagte, die wollen mir jetzt doch € 200 zahlen. Auch davon kann ich nur einen Teil meiner Miete und immer noch kein Heizöl bezahlen. Von weiteren Lebensmitteln im Oktober ganz zu schweigen.

Alle sechs Wochen muss man routinemäßig zum Arbeitsamt. Heute war mein Termin, obwohl ich keinerlei Geld erhalte. Die Sachbearbeiterin konnte absolut nichts für mich tun.

Heute ging es mir wieder so richtig schlecht. Trotzdem ging ich zur Theatergruppe in die psychologische Beratungsstelle. Das war eine richtig nette Runde. Hätte ich länger aushalten können als nur 90 Minuten.

Freitag, 23. September 2005:

Heute morgen traf ich mich mit Josef Haider vor dem 'Caritas'-Gebäude in der Keplerstraße. Gemeinsam gingen wir zu Frau Geißler, wo ich heute -ohne jeden Aufhebens- die zugesagten € 200 überreicht bekam. Auch das Geld wird nicht reichen. Allein für die Miete benötige ich € 280!

Mit Haider hatte ich dann um 11:00 Uhr ein weiteres Gespräch in der Beratungsstelle. Ich teilte ihm mit, wie sehr mir vor der am Montag beginnenden Tätigkeit im Callcenter 'Clientel' graute und wie vor dem bevorstehenden Wochenende, das ich wieder allein verbringen würde.

Ich entschloß mich, einen weiteren Bettelbrief an meinen Onkel Heinz in Hamburg-Harburg zu schreiben. Gleichzeitig verschickte ich noch eine Geburtstagskarte an meinen Vater Klaus mit der Bitte, mich doch mal anzurufen.

Samstag/Sonntag, 24./25. September 2005:

Das Wochenende ertrug ich nur, in dem ich mir jeweils einen Kinofilm anschaute, obwohl ich dafür gar nicht das Geld hatte. Aber in der kalten Wohnung fällt mir die Decke auf den Kopf.

Der alltägliche Rassismus ist in Österreich erschreckend: An der Haltestelle 'Gemeindeamt Eggenberg' sah ich einen kleinen, österreichischen Mann, der in die Richtung eines asiatischen Vaters mit seinen zwei kleinen Kindern rief: 'Scheiß-Ausländer! Euch sollte man alle erschießen!'

Montag, 26. September 2005:

Heute bekam ich nach einiger Nachfragerei endlich die Stromrechnung von 'Energie Graz' zugeschickt. € 40 pro Monat muss ich jetzt an Strom zahlen.

Um 15:00 Uhr sollte dann die Schulung im Callcenter 'Clientel' in der Brückenkopfgasse beginnen. Die Schulung dauerte nur knapp eine Stunde, dann ging es auch schon an die Telefone. Ich war umzingelt von 17-jährigen! Nur Markus und Birgit waren noch dabei. Zwei weitere Girls, die noch beim Vorstellungsgespräch dabei waren, erschienen heute nicht mehr. Wir boten ein kostenloses Probe-Abo der 'Salzburger Nachrichten' an. Das war eine niveaulose und extrem langweilige Tätigkeit. Bis 19:00 Uhr hielt ich durch. Zukünftig soll ich das fünf Stunden am Tag -immer am späten Nachmittag- machen!

Während ich im Callcenter war, rief mein Vater an. Sein Gespräch konnte ich nicht annehmen - dort sind Handys verboten.

Karin schickte diverse SMSs. Sie soll wohl -vom Arbeitsamt aus- an einer Weiterbildung teilnehmen und weiß nicht, wie sie das mit den Kindern organisieren soll. Auch erwähnte sie, dass ihr jüngerer Sohn in der Schule gemobbt wird. Wahrscheinlich bin ich jetzt wieder gut ...

Dienstag, 27. September 2005:

Die Tätigkeit bei 'Clientel' ist unter aller Würde. Hatte etwa 100 Calls in nur fünf Stunden. Zum Vergleich: In Irland hatte ich etwa 45 Anrufe in acht Stunden! Niemand freut sich über deinen Anruf; es ist eine einzige Belästigung der Menschen. Und die Zeit ging nicht vorüber! Eine Stunde wurde zur Ewigkeit; jedes noch so kurze Gespräch war eine nervliche Hochbelastung. So, wie es ausschaut, werde ich morgen nicht mehr kommen.

Mittwoch, 28. September 2005:

Ab 2:00 Uhr dröhnten die Bässe meines Nachbarn unter mir. Alles bebte und in den Schränken klirrten die Gläser. Stundenlang lautstarke Musik! Ohne Unterbrechung. Bis in die frühen Morgenstunden. Auch die Ohrenstöpsel hielten dem Lärm kaum stand. Ohne Arbeit kann ich tagsüber Schlaf nachholen, doch was ist, wenn man morgens um 6:00 Uhr raus und acht Stunden arbeiten müsste?

Mittags um 13:00 Uhr ging ich wieder zur Großgruppe in die psychologische Beratungsstelle. Die Runde war wieder sehr interessant. Hier erfuhr ich auch, dass Psychologe Haider mindestens zwei Tage krank ist. Hätte mit ihm gern über das Callcenter 'Clientel' gesprochen. Ich ging heute nicht mehr hin.

Lag abends schon früh total frustriert und einsam im Bett. Mein Onkel hat sich nicht gemeldet.

Donnerstag, 29. September 2005:

Nebenan ist mein ägyptischer Nachbar vor zwei Tagen ausgezogen. Heute teilte mir die Vermieterin, Christine Wonisch, mit, wie froh sie sei, dass die weg sind. Sie mag keine Ausländer und wolle auch keine mehr! Dabei vergaß sie wohl für einen Augenblick, dass ich auch ein Ausländer bin. Der Ägypter hat sich absolut tadellos verhalten, war ruhig und total freundlich und hilfsbereit. Aber Geld stinkt halt nicht!

Ich langweilte mich zu Tode, hatte nichts zu tun. Die Wohung war kalt und draußen regnete es in Strömen. Was für ein erbärmliches Leben!

Freitag, 30. September 2005:

Psychologe Haider war auch heute noch krank. Von daher hatte ich vor dem Wochenende keinen weiteren Gesprächstermin im Beratungszentrum.

Ich fühlte mich so down, dass ich fast nur im Bett gelegen habe. Habe kaum noch Geld.

Bitte hier klicken und weiterlesen: