Michaels Reisetagebuch - Michael Schubert berichtet in seinem Erfahrungsbericht über schwere Missstände in Graz/Österreich



Inhalt:
I. Ankunft in Graz
II. Erste Schikanen der Grazer Behörden
III. Drohende Eskalation
IV. Erschreckende Erlebnisse in der 'Sigmund Freund'-Klinik
V. Wer ist der dicke Mann?
VI. Neuer Suizidversuch (diese Seite ist aufgerufen)
VII. Vertuschung und Abstrafung
VIII. Richtung Winter
IX. Mangelndes Vertrauen
X. Krankheiten und Schmerzen
XI. Epilog
Bilder meiner Wohnung
Schauerliches aus der österreichischen Presse
Stimmen der Leser     Häufig gestellte Fragen
E-Mails an Politiker, Medien & Hilfsorganisationen

Meine Lebenssituation eskaliert erneut. Hilflosigkeit, totale Angst vor einem neuen kalten Winter in einer desolaten Wohnung. Kein Geld zum Heizen! - Auf dieser Seite gibt es ein Wiedersehen mit der 'Sigmund Freud'-Klinik ...

Freitag, 22. Dezember 2006:

Seit Ende September 2006 hatte ich diesen Tag für meinen nächsten Suizidversuch geplant; jedoch bis zur letzten Sekunde gehofft, dass mir noch geholfen wird. Das war jedoch nicht der Fall. Bereits seit 3. März 2006 wusste ich, dass ich von meinem Teilzeitgehalt keine Heizkosten für einen weiteren Winter würde zahlen können. Der negative Bescheid des Sozialamtes (Herr Woelfler) wurde mir jedoch erst am 21. Januar 2008 -fast zwei Jahre später- übersandt. Höhnisch wurde mir darin mitgeteilt, dass ich vier Wochen Einspruchsrecht gehabt hätte.

Ich war sehr traurig; allerdings auch unglaublich entsetzt. Im Laufe des heutigen Tages verschickte ich zahlreiche erklärende Abschiedsbriefe an Presse, TV, Grazer Organisationen und Verwandte. Ich warf die Briefe abends nach der letzten Leerung in den Briefkasten. Frühestens am 27. Dezember 2006 würde der Kasten geleert werden, so dass die ersten Briefe nicht vor dem 28. Dezember zugestellt werden könnten. Bis dahin musste ich es geschafft haben. Statt Henkersmahlzeit gönnte ich mir einen letzten Kinofilm. Ab 20 Uhr nahm ich alle zwei Stunden eine Schlaftablette. Ich wurde zunehmend müde; wollte mich jedoch -wie bei meinem letzten Versuch in der 'Freud'-Klinik so lange wie möglich wach halten, um dann nach Einnahme der Überdosis zügig einzuschlafen.

Wenn auch nichts vorwärts geht, mir in keiner Weise geholfen wird in Österreich - eines klappt stets mühelos: Die Tabletten werden mir mühelos verschrieben.

Um 1:30 Uhr presste ich 130 Anti-Depressiva und Schlafmittel aus ihrer Verpackung ('Efexor XL', 'Halcion' und 'Mondeal'), legte sie auf einen Teller und nahm sie um Punkt 2:00 Uhr blitzartig ein, um Übelkeitsgefühle zu vermeiden. Das gelang mir nicht ganz. Nach neunzig Tabletten überkam mich ein leichter Würgereiz, so dass ich mich entschied, keine weiteren einzunehmen, um ein Erbrechen vorzubeugen. Ich legte mich in mein Bett, war nur mäßig aufgeregt, schloss die Augen und schlief, ohne Halluzinationen zu bekommen, nach etwa fünfzehn Minuten ein.

Samstag, 23. Dezember 2006:

Es war Samstagnachmittag gegen 16:00 Uhr, als ich erwachte. Ich hatte mich erbrochen und litt an zutiefst erschreckenden Halluzinationen, auf die ich an dieser Stelle nur kurz eingehen möchte. Ich stand an meinem Schreibtisch und beobachtete von hier aus zwei Wesen, die in meinem Bett lagen. Zum einen handelte es sich um eine bewegungslose, alte Frau mit schlohweissem Haar, deren Gesicht ich nicht erkennen konnte. Eine Tote? Daneben eine Art winziger Wurm, der sich zu winden und ein winziges Gesicht zu haben schien und leise, fiepende Geräusche von sich gab. Meine Wohnung war real erkennbar, alles schien real, nur nicht diese beiden Wesen in meinem Bett. Obwohl ich die Trugbilder wie mit einem grauen Schleier -unscharf- vor mir sah, habe ich diese in meiner Verfassung nicht als solche erkannt, geriet in absolute Panik und hatte unvorstellbare Angst vor dem Bizarren und Absurden, was ich da vor mir sah.

Wie mir später berichtet wurde, habe ich meine Wohnung durch das Fenster(!) verlassen, obwohl ich auch hätte durch die Tür gehen können. Offensichtlich war ich in der Lage, meine Schuhe anzuziehen; jedoch verließ ich mit meiner Schlafbekleidung (Kapuzenpullover & Jogginghose) die Wohnung. Ich hatte mein Handy und meine Brille dabei, jedoch nicht meine Schlüssel, mein Geld oder meine Armbanduhr, ohne die ich normalerweise nie meine Wohnung verließ. Die Halluzinationen änderten sich jetzt: Ich hörte wispernde Stimmen. Ich hatte das Gefühl, die Leute auf der Straße würden alle über mich reden. Erneut möchte ich auf Details verzichten. Wie ich zur Polizei in Eggenberg (ca. 500 Meter von meiner Wohnung entfernt) kam, kann ich nicht nachvollziehen. Ich musste diverse Straßen überqueren. Warum ich überhaupt zur Polizei ging, war auch nicht ganz nachvollziehbar. Dort hatte ich massive Geräusch-Halluzinationen. Ich hörte wie die Polizisten meine Ermordung organisierten, was weitere Panik in mir auslöste. Obwohl ich mich kaum auf den Beinen halten konnte, ergriff ich die Flucht, erbrach mich draußen erneut und wurde von der Polizei, die mich in Wahrheit anständig behandelte, natürlich schnell eingeholt. Die brachten mich ins Landeskrankenhaus in Eggenberg. Unheimlich: Während der Arzt mit mir sprach, standen Halluzinationen direkt neben ihm. Auch in den Monitoren der Geräte und Computer sah ich haarsträubende Dinge, die nicht da waren. Doch zunehmend wurde mir bewusst, dass es sich um Trugbilder handelte. Ich flehte den diensthabenden Arzt an, mich keinesfalls wieder auf die Dr.-Schwarzl-Station 'PS32' der 'Sigmund-Freud'-Klinik zu bringen. Mein Wunsch wurde nur zu einem Teil respektiert. Ich konnte dem Arzt keinen Vorwurf machen, denn ich war sicherlich nicht in der Lage, über die Geschehnisse vom November 2005 im Detail zu berichten. Andererseits: Warum der überstürzte Transport? Hätte der Arzt nicht noch ein wenig warten können, bis die Wirkung der Medikamente nachließ und ich mich somit wieder artikulieren konnte? Zudem hätte es Alternativen im LKH gegeben.

Ich kam wieder in die 'Freud'-Klinik, jedoch auf die Station 'PS34', direkt über der Schwarzl-Station. Fahrer des 'Roten Kreuzes' brachten mich dorthin. Obwohl ich unter heftigen Kreislaufproblemen und Müdigkeit litt, wurde mein Verstand zunehmend klarer. Die Halluzinationen waren in abgeschwächter Form noch da und spielten sich an der Zimmerdecke ab. Sie waren nicht mehr furchteinflößend.

Auf Station 'PS34' gab es ein Wiedersehen mit Pfleger Anton, den ich ja schon auf der 'PS32' kennengelernt hatte. Anton arbeitet jetzt hier. Die anderen Pfleger und Ärzte waren mir unbekannt. Erwartungsgemäß kam ich in den 'geschlossenen' (verharmlosend: geschützten!) Bereich. Hier gab es drei Mitpatienten: Mario P., der sich in einer Sekte bis auf 37 kg heruntergehungert hatte und entsprechend aussah; Gerhard E., ein höchst ungepflegter, schwer übergewichtiger Mann (1969 geboren), der Gewalt gegen seine Mutter ausübte und unter anderem deshalb hier war. Dritter im Bunde war der sympathische und absolut ruhige Sudanese D., der nur gebrochen Deutsch bzw. Englisch sprach. Warum er hier war, konnte ich aufgrund der Sprachdefizite nicht heraus bekommen. Schnell erkannte ich, dass die geschlossene Station hier um Klassen angenehmer und menschenwürdiger war, als die auf der 'PS32'. Sie war sauberer, es gab fließend Wasser (was ja auf der 'PS32' nicht mal nach der Toilette möglich war); man konnte allein baden (ohne Aufsicht), durfte sein Handy benutzen, seine eigene Kleidung tragen (... und nicht nonstop im Anstaltspyjama herumlaufen). Die Medikamente wurden auch nicht zerbröselt, so dass man auch optisch erkennen konnte, was man bekam. Der Ton des Pflegepersonals war deutlich angenehmer als unten. Auch das Fernsehgerät wurde nicht dauernd verschlossen, sondern stand bei Bedarf zur Verfügung. Auch gab es keine sichtbaren Bauchgurte zum Fixieren des Patienten (auf 'PS32' befinden sich die in jedem Bett); die Betten waren auch nicht mit gummizellenartigen Netzen umgeben). Man bekam ausreichend Getränke (auch in Flaschen) und nicht nur ein Glas hingestellt wie auf der Schwarzl-Station. Man konnte auch zivilisiert essen. Hier bekam man Messer und Gabel zum Essen; auf der Schwarzl-Station gab es oft nur einen Teelöffel, was das Bestreichen von Brötchen schon arg kompliziert machte. Oben wie unten war die Luft jedoch extrem trocken, so dass meine Haut nach kurzer Zeit zu schuppen begann.

Ich hatte überhaupt keinen Appetit; hatte praktisch seit Mittwoch kaum etwas gegessen. Natürlich war ich sehr müde; eine Ärztin kam kurz an mein Bett; aber ich habe bald geschlafen. Ich war in zunehmender Sorge wegen meiner Wohnung. Das Fenster musste weit offen stehen. Jeder hätte also in meine Wohnung eindringen können.

Heiligabend, 24. Dezember 2006:

Ich wollte keinesfalls ein weiteres Weihnachtsfest allein in meiner kalten Schimmelwohnung verbringen. Auch deshalb hatte ich den 22. Dezember als Suizid-Termin gewählt. Nun war ich auf der geschlossenen Station 'PS34' in der 'Sigmund-Freud'-Klinik, nur wenige Treppenstufen von der Schwarzl-Station entfernt, was keinesfalls so geplant war. Aber ich wurde hier ausgesprochen freundlich behandelt. Vielleicht ja auch gerade wegen meiner Webseiten-Veröffentlichung. Den Heiligabend verbrachte ich fast ausschließlich im Bett; ich war müde, sah vormittags noch vereinzelte Trugbilder an der Zimmerdecke, die bis zum Abend hin jedoch verschwunden waren. Bei diesem vierten Suizidversuch erlebte ich die schrecklichsten Halluzinationen. Vollkommen unrealistisch und doch wirkten sie so echt. Ich hatte keinen Appetit und habe nichts gegessen.

1. Weihnachtstag, 25. Dezember 2006:

Ich war sehr traurig. Via Handy stellte ich fest, dass sich anläßlich des Weihnachtsfestes niemand bei mir gemeldet hatte; nicht mal der eigene Vater. Außerdem ging ich hart mit mir ins Gericht, nachdem der Suizidversuch trotz aller angeblich so guter Planung gescheitert war. Auch den heutigen Tag habe ich verschlafen und absolut nichts gegessen. Aufgrund der extrem trockenen Luft hatte ich jedoch erheblichen Durst.

2. Weihnachtstag, 26. Dezember 2006:

Man wurde verwahrt; allein mit sich gelassen. Es gab keine Ansprache von Psychologen; nichts. Bis auf das Pflegepersonal, das über die Feiertage entsprechend knapp besetzt war, sah ich niemanden. Auch keinen Arzt. Ich habe heute gebadet, mich rasiert, etwas Fernsehen geschaut und am Abend erstmals eine Kleinigkeit gegessen. Der Kreislauf stabilisierte sich; die extreme Müdigkeit ließ nach. Am Rande bekam ich mit, dass die 'Caritas' den Patienten hier den Zigarettenkonsum finanziert. Manchmal glaube ich, meinen Ohren nicht zu trauen: Ich kämpfe um jeden Cent, bekomme nur Ablehnungen, kann meine Wohnung im tiefsten Winter nicht beheizen und andere bekommen Zigaretten finanziert.

Mittwoch, 27. Dezember 2006:

Abends wurden in der Stadt die Briefkästen geleert, die meine Abschiedsbriefe beherbergten. Die Feiertage waren vorerst vorbei; auf Station 'PS34' kehrte das Leben zurück. Vormittags gab es die erste Visite. Dabei lernte ich die Stationsärztin, Dr. Angelika Faschinger, kennen, die sich in Begleitung des Chefarztes, Dr. Bernhard Grössl, befand. Die Ärztin wechselte ständig zwischen Freundlichkeit und Gereiztheit; je nachdem, welche Frage sie stellte bzw. welche Antwort sie von mir bekam. Es wurde ein Gespräch mit der Sozialarbeiterin, Martina Freismuth (Foto), vereinbart, die ich ja schon vom letzten Jahr her kannte. Gegenüber von Frau Freismuth offenbarte ich erneut meine Sorge, was meine Wohnung betraf. Steht mein Fenster seit Tagen sperrangelweit offen? Wo sind meine Schlüssel? Ist mein Geld noch da? Meine Bankomatkarte? Ich wäre gern mit ihr dorthin gefahren, was sie allerdings ablehnte. Stattdessen sprach sie mit der Polizei, Herrn Jakob, der bestätigte, dass das Fenster offen war und von der Polizei angelehnt worden ist. Die Tür sei verschlossen gewesen; wo meine Schlüssel waren, wusste niemand. Gar nicht auszudenken, wenn ich die am Samstag verloren hätte. Und natürlich konnte mir auch niemand sagen, ob sich meine Geldbörse noch in der Wohnung befand. Ich war nur mässig beruhigt. Freismuth schlug vor, dass ich morgen nachschauen könne, nachdem die Kommission getagt habe, die über meine weitere Unterbringung im 'geschlossenen' Bereich entscheiden werde.
In einem Gespräch mit der Stationsärztin ließ ich mein Leben Revue passieren.

Beim Essen wurde mir mit Schrecken bewusst, wie ungesund ich seit über einem Jahr gegessen habe, weil ich mir aus Kostengründen kein frisches Gemüse, keinen Salat und kein frisches Obst gegönnt habe.

Donnerstag, 28. Dezember 2006:

Erste Briefe, die ich am Freitag innerhalb Österreichs verschickt hatte, müßten heute bei ihren Empfängern eintreffen. Vormittags folgte wieder eine Visite. Dr. Faschinger stellte die banale Frage, ob ich immer noch Suizidgedanken hegen würde. Ich stellte ihr die Gegenfrage: Was hat sich denn seit meinem Suizidversuch vor knapp einer Woche geändert? Nichts, absolut nichts! Ich verstehe diese Fragen auch nicht, denn die Antwort müßte eine kompetente Ärztin doch kennen, bevor sie diese stellt. Die Ärztin sagte, dass es heute ein weiteres Gespräch mit der Sozialarbeiterin Freismuth gebe, was allerdings nicht der Wahrheit entsprach. Ich bat die Ärztin dringend um Hilfe und im besonderen um weitere Gespräche mit der Sozialarbeiterin.

Die Kommission (Bezirksgericht Graz) tagte erst gegen 17:00 Uhr. Patientenanwalt Hannes Presslaber (Foto) begleitete mich dorthin. Im Gegensatz zum Vorjahr nahm an dieser Sitzung neben dem Patientenanwalt nur noch ein Kommissionsmitglied des Gerichts sowie die diensthabende Ärztin, die ich jedoch noch nie gesehen hatte, teil. Im letzten Jahr entschied die Kommission nur eine Woche nach meinem Suizidversuch auf Station 'PS 32', dass ich nicht suizidgefährdet sei. Heute entschied die Kommission knapp eine Woche nach meinem Suizidversuch das genaue Gegenteil: Weitere Unterbringung im 'geschlossenen' Bereich - offensichtlich noch bis zum 11. Januar 2007. Mit dieser Entscheidung hatte ich nicht unbedingt gerechnet; akzeptierte sie aber.

Es gab Abendessen und danach überschlugen sich wieder einmal die Ereignisse. Die Schwester kam zu mir und sagte, dass ich ab sofort auf die Station 'PS32' verlegt werde - auf die Station von Schreckensarzt Schwarzl und seinen Helfershelfern! Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen. Und auch die nächste Szene war symptomatisch für diese Klinik: Als ich zum jungen Pfleger Stefan sagte, dass ich dort nicht hingehen möchte, was ja absolut nachvollziehbar ist, sagte er, dass ich dann mit Bauchgurt fixiert werde und per Bett dorthin verfrachtet werde. Es gab kein sachliches Gespräch und schon gar keine Erklärung für diese Maßnahme! Hier herrscht Diktatur und latente Gewaltbereitschaft: Do as you told! Statt sachlichem Gespräch nur Drohung mit Fixierung durch den Bauchgurt! Kein Arzt, kein Pfleger, kein Patientenanwalt hat mir diese Maßnahme erklärt. Und das ist genau ein Punkt, warum ich diese Klinik als so menschenverachtend einschätze. Der Patient wird nicht respektiert. Er kann sich praktisch nicht wehren, wenn er sich im 'geschlossenen' Bereich befindet.

Anders gefragt: Ist das für einen depressiven Patienten, weniger als eine Woche nach seinem Suizid-Versuch und all den existenzbedrohnenden Vorkommnissen des Vorjahres, die für ihn bestgeeignete Station/Maßnahme?

Die Entscheidung ist natürlich auch insofern paradox, weil auf Station 'PS34' noch ausreichend Platz war: Ein Bett war die ganze Woche über frei geblieben. Und ohne mich waren es jetzt sogar zwei freie Betten. Der geschlossene Bereich auf Station 'PS32' war jedoch voll belegt.

Ich fügte mich natürlich und ging zu Fuß in Begleitung zweier Pfleger auf die Station 'PS32', wo ich als erstes Pflegehelferin Heike sah. Von Dr. Schwarzl sah ich zunächst nichts. Mich überfiel die Panik. Alles wurde mir weggenommen und verschlossen. Zum Glück konnte ich mein Handy verstecken. Ich schickte zahlreiche Hilferufe via SMS an Verwandte und Bekannte ab und bat dringend darum, die deutsche Botschaft zu verständigen. Ich hatte eine teuflische Angst vor diesem Arzt. Das Herz schlug mir bis zum Hals.


Das Personal der Station PS32 im Januar 2007 - über allen thront Dr. Peter Schwarzl. Weiter: Der neue Stationspfleger Georg (über der Ziffer 32); Gerhard (ganz links, unter dem 'P'); Rainer (rechts daneben); Heike (2. Reihe von unten; 2. von rechts); Sabine (rechts unterhalb von Rainer); Robert (unter dem 'M')

Außenstehende müssen sich das einmal vorstellen: Die 'Sigmund Freud'-Klinik ist ein riesengroßes Gelände. Es gibt so viele Stationen. Doch wohin schickt man mich? Auf die Station von Dr. Peter Schwarzl - nach all den Erlebnissen vom November 2005! Allen Beteiligten ist die Veröffentlichung dieser Webseite bekannt. Noch heute höre ich Schwarzls bedrohliche Stimme: 'Wir haben hier so unsere Mittel und Methoden...'. Im 'geschlossenen' Bereich hat man gar keine Chance. Wenn Arzt und Pfleger zusammenhalten wie damals, können die alles mit einem machen. Egal, ob Mitpatienten im Raum sind oder nicht. Die können dem Geschehen geistig oft sowieso nicht folgen. Viele sind auch im Tiefschlaf und mit Medikamenten ruhig gestellt. Meine Angst war begründet.

Am Abend passierte nichts mehr. Es gab ein Wiedersehen mit Nuri Y., der bereits im letzten Jahr mit mir auf dieser Station war. Überhaupt waren 50 % der Patienten bereits letztes Jahr mit mir auf dieser Station. Ist die Behandlung auf dieser Station so ineffizient, dass die Patienten hier Monate verbleiben oder schnell wieder eingewiesen werden? Oder ist das Leben außerhalb der Anstaltsmauern so feindlich, dass die entlassenen Patienten dort einfach nicht mehr klar kommen?

Übrigens - was ich erst mehrere Wochen später erfuhr: Erich Tomschitz, der zeitgleich im offenen Bereich der Station 'PS34' weilte und den ich seit einem Jahr kenne, wollte mich heute Nachmittag besuchen. Er durfte nicht! Ich brauche Ruhe, wurde ihm vom Pflegepersonal mitgeteilt. Um aber abends in einer Nacht- und Nebelaktion auf die Schwarzl-Station gebracht zu werden, war die notwendige Ruhe dann nicht mehr so wichtig.

Freitag, 29. Dezember 2006:

Drei Patienten befanden sich auf der geschlossenen Station 'PS32': Patrick K., ein Untersuchungshäftling, der gestern 20 Jahre alt wurde und in Leoben einen Kinderwagen angezündet und weitere Sachbeschädigungen begangen hatte. Er kam auch erst heute und wartet auf die Anhörung von Richter und Staatsanwalt. Nuri Y. (32), ein sehr freundlicher und umgänglicher Türkei-Österreicher, der offensichtlich Stimmen mit religiösem Hintergrund hört und permanent auf dieser Station ist. Warum er jetzt im 'geschlossenen' -und nicht wie im Vorjahr im offenen Bereich ist- konnte ich nicht herausfinden. Nicht zum ersten Mal ist mir aufgefallen, dass auf psychiatrischen Stationen auffallend oft Menschen mit religiösen Problemen behandelt werden, was mir sofort das berühmte Zitat von Robert M. Pirsig in Erinnerung rief: 'Leidet ein Mensch an einer Wahnvorstellung, so nennt man es Geisteskrankheit. Leiden viele Menschen an einer Wahnvorstellung, dann nennt man es Religion'.

Schließlich gab es noch Patient Andreas M., etwas älter als ich, und völlig durch den Wind. Er hat auch Gewalttätigkeiten begangen und befindet sich hier ebenfalls in einer Art von Untersuchungshaft. Er brabbelte ununterbrochen wirres Zeug, was auf Dauer eine enorme Belastung war. Er war aber auch latent aggressiv, beleidigte die Mitpatienten immer wieder mit vulgärer Sprache. Er war extrem ungepflegt und in meinen Augen nicht berechenbar. Wegen ihm konnte man nichts stehen oder liegen lassen. Letzte Woche hat er den Stationsfernseher zerstört; er zerreißt Bücher, schmeisst Zeitungen aus dem gekippten Fenster und trinkt uns die Getränke weg, die auf dieser Station sowieso nur sehr spärlich zur Verfügung gestellt werden.

Morgens sah ich Pfleger Rainer, der immer einen lustig-frechen Spruch auf den Lippen hatte. Ein Pfleger der angenehmeren Sorte. Wohltuend, weil er in der Lage war, unsere triste Situation dadurch etwas zu überspielen, dass er uns zum Lachen brachte.

Ich war in der Badewanne und wartete dann auf ein Wiedersehen mit Schwarzl. Die Visite stand unmittelbar bevor. Doch der Oberarzt erschien nicht. Er war offenbar noch im Weihnachtsurlaub. Stattdessen kam Chefarzt Dr. Grössl (Foto unten), der für mich ein weiteres Gespräch mit dem Sozialarbeiter arrangierte, der auch bald kam. Gegenüber Markus Kölldorfer (Foto links) betonte ich noch einmal meine Sorge, was meine Wohnung betrifft, die ich ja nun nicht habe aufsuchen können. Ich bat ihn ferner darum, mit der deutschen Botschaft in Wien in Kontakt zu treten und denen mitzuteilen, dass ich mich auf dieser Station nach den Vorkommnissen des Vorjahres zutiefst bedroht fühle.

Mein Vater Klaus reagierte auf meinen gestrigen SMS-Hilferuf. Er rief an und auch ihn bat ich darum, dringend mit der Botschaft in Kontakt zu treten. Roland Moser vom Grazer 'SBZ' rief an. Ihn bat ich um einen Besuch und auch darum zu schauen, ob in meiner Wohnung alles in Ordnung ist. Er sagte zu, kam aber nicht.

Der weitere Tag auf Station 'PS32' verlief unauffällig. Das Pflegepersonal war höflich. Heike hielt sich betont zurück; kam praktisch auch gar nicht in den 'geschlossenen' Bereich. Ich habe viel gelesen. Fernsehen schauen war anstrengend, weil natürlich die Gefahr bestand, dass sich Andreas auch an dem neuen TV-Gerät verging. Man musste praktisch direkt vor dem Bildschirm sitzen.

Jetzt weiß ich übrigens auch, wer der bisher unbekannte dritte Pfleger war, der neben Astrid und Heike Dienst hatte, als mir Patient Ludwig Seerainer im November 2005 mit dem Tod drohte und das Pflegepersonal feixte und in keiner Weise eingriff. Es war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Pfleger Christian.

Samstag, 30. Dezmber 2006:

Als Depressiver unter lauter Untersuchungshäftlingen fragte ich mich natürlich, wo denn all die anderen depressiven und suizidgefährdeten Patienten untergebracht sind. Die Deutsche Botschaft meldete sich auch heute nicht. Eine Woche war ich jetzt in der Klinik. Außer zwei kurzen Gesprächen mit den Sozialarbeitern gab es nicht die geringste Betätigung; keine Therapie, keine Beschäftigung - nichts. Es war nichts mehr als eine Unterbringung. Mit seinen Problemen wurde man vollkommen allein gelassen. Die Weihnachtsfeiertage sind ohnehin keine leichte Zeit; aber es gab keinerlei psychologische Ansprache. Wenigstens Pfleger Gerhard nahm sich heute die Zeit und unternahm einen einstündigen Spaziergang mit Nuri und mir. Es war die erste frische Luft seit meiner Unterbringung vor einer Woche. Jeder Massenmörder hat die Möglichkeit auf täglichen Hofgang - nicht aber wir hier in der 'Freud'-Klinik.

Patient Andreas nervte Patrick, Nuri und mich. Sein Dauer-Gebrabbel, das kaum zu verstehen war, ist eine nervliche Belastung. Er versuchte heute, die Gardinen von der Stange zu reissen. Als ihm das nicht gelang, zerriss er stattdessen den Buchdeckel von Patricks neuem Roman. Wenn er mal keine Selbstgespräche führte, rülpste oder furzte er.

Wie schon im letzten Jahr, so gab es auch jetzt kein fließend Wasser auf dieser Station. Nach einem Toilettengang war das Händewaschen nicht möglich. Mir kam oft das Frühstück hoch, wenn ich sah, wie sich Andreas permanent am Hinterteil herum fingerte. Offensichtlich litt er unter akutem Juckreiz. Beim Abendessen fasste er dann jedes Stück Brot im gemeinsamen Korb an und prüfte so, welches ihm genehm war.

Silvester, 31. Dezember 2006:

80 % der Pflegekräfte waren schon im letzten Jahr hier - bis auf wenige Ausnahmen bekannte Gesichter. Vom Pflegepersonal erfuhr ich, dass Pflegehelferin Astrid, die damals auch an Schwarzls bösem Spiel aktiv beteiligt war, nicht mehr hier arbeitet. Auch die Stationsleitung hat gewechselt; Georg ist jetzt der Stationspfleger.

Essen, schlafen, Fernsehen gucken - der immer gleiche Ablauf. An den Feiertagen passiert nichts. Pfleger Roland (keinesfalls zu verwechseln mit dem sich eiskalt präsentierenden Roland, der Dienst hatte, als ich am 18. November 2005 meinen Suizidversuch unternahm) war so freundlich und unternahm am späten Vormittag einen Spaziergang an der frischen Luft mit uns. Patrick und Andreas durften nicht mit, weil sie Untersuchungshäftlinge waren. 2002 befand ich mich nach einem Suizidversuch auch in der Psychiatrie. Dort gab es am Abend eine gemeinsame Silvesterfeier mit Essen, Spielen und dem Betrachten des Feuerwerks um Mitternacht. Hier gab es keinerlei Veranstaltung. Die Patienten wurden allein gelassen; man war angehalten, spätestens um 23 Uhr im Bett zu sein.

Neujahr, 1. Januar 2007:

Im Halbschlaf kam ich in das neue Jahr. Es gab ein Wiedersehen mit dem relativ unangenehmen Pfleger Robert, der einen gewöhnungsbedürftigen Ton am Leib hatte. Er kümmerte sich praktisch gar nicht um die Eingeschlossenen. Es gab auch keinerlei Spaziergang. Triste Langeweile und nonstop das wirre, kaum verständliche Gerede von Andreas. Der hat heute mit Gewalt seinen verschlossenen Schrank aufgebrochen. Er hatte ständig Durst und man musste aufpassen, dass er einem nicht die Getränke klaute. Heute nahm er sein Glas, ging auf die Toilette, betätigte die WC-Spülung und füllte sich so zahlreiche Gläser Wasser ab.

Seit über einer Woche lief ich in ein- und denselben Klamotten herum. Trotzdem war es nicht willkommen, täglich zu duschen oder zu baden. Die Pfleger führten offenbar genau Buch darüber, wer wann geduscht oder gebadet hatte. Am Tag nach einem Bad war dann nur eine Katzenwäsche am Waschbecken erwünscht. Das muss man sich einmal vorstellen; erst recht bei der unglaublichen Fülle an Zeit, die man hier zur Verfügung hatte. Theoretisch könnte man stundenlang in der Wanne liegen und sich so etwas ablenken.

Dienstag, 2. Januar 2007:

Das Feiertagswochenende war vorüber. Das Leben kehrte auf Station zurück. Prompt überschlugen sich wieder die Ereignisse. Wie es sich für ein ordentliches, katholisches Land gehört, sangen zunächst die Sternsinger, die Heiligen 3 Könige, ein Liedchen. Für solch eine Attraktion durften wir auch den geschlossenen Bereich verlassen.


Der Haupteingang der 'Sigmund Freud'-Klinik (ganz links der Torbogen). Makaber: Die zahlreichen Suchtpatienten der Klinik (z. B. Alkoholiker) haben es nicht weit bis zur Gaststätte 'Valentino', in dem eine grosse Auswahl von Alkoholika zu haben ist. Auch die Spielsüchtigen kommen nicht zu kurz: Die Spielautomaten sind auf dem neuesten Stand. Aber auch für Patienten, die 'nur' Anti-Depressiva nehmen müssen, wäre der Genuss von Alkohol alles andere als gesundheitsfördernd. Dieses kleine Beispiel zeigt, wie sehr der Kommerzgedanke der Klinik im Vordergrund steht; das Wohlergehen der Patienten irgandwann später kommt.1) Übrigens: Einen kleinen Kiosk, an dem man Milch, Saft oder Zeitungen kaufen könnte, gibt es auf dem großen Gelände nirgendwo. Um zu einem 'Spar'-Markt zu kommen, müssen die Patienten das Klinikgelände verlassen (Stichwort: Versicherungsschutz) und die verkehrsreiche 'Kärntner Straße' überqueren. Übrigens, ganz aktuell habe ich erfahren: Auch Ludwig Seerainer kehrt gern in dieses Lokal ein und erzählt dort mit Vorliebe von seinem Partner Dr. Schwarzl und den gemeinsamen bösen Spielchen in der Klinik.

Kurz danach folgte die Visite. Dr. Peter Schwarzl kehrte auch heute nicht zurück. Chefarzt Dr. Grössl kam in Begleitung von Stationsarzt Dr. Christian Böhm, den ich ja noch vom letzten Jahr her kannte, und der mich stets freundlich und respektvoll behandelt hatte. Ich betonte noch einmal, dass ich entlassen werden wollte, weil ich Dr. Schwarzl keinesfalls begegnen und ausgeliefert sein wollte. Ferner regte ich an, dass ich ja heute wieder zur Arbeit gehen könne, denn mein Urlaub endete um 13:00 Uhr. Überraschend wurde dieser Vorschlag akzeptiert und innerhalb weniger Minuten konnte ich die Klinik verlassen. Offensichtlich können die Ärzte sogar die Kommission überstimmen, die ja erst am Donnerstag entschieden hatten, dass ich weiterhin im 'geschlossenen' Stationsbereich bleiben solle. Wie auch immer - es ist paradox: Binnen zwei Stunden wechselte ich von einer geschlossenen, psychiatrischen Station mit Untersuchungshäftlingen zurück an meinen Arbeitsplatz. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Vorher war ich noch kurz in meiner Wohnung, wo ich mich umgezogen habe. Hier erwartete mich eine Zimmertemperatur von 6,5 C - Rekord: So kalt war es noch nie (Foto). Der Teller mit den restlichen vierzig Tabletten stand unberührt vor meinem Bett ...

Natürlich hatte sich meine wirtschaftliche Situation in keiner Weise verändert; natürlich fehlte mir immer noch das Geld, um meine Wohnung zu beheizen; natürlich ist diese frühzeitige Entlassung der vollkommen falsche Weg: Ich brauchte Hilfe und Unterstützung. Aber welche Hilfe Dr. Schwarzl & Co anzubieten haben, hatte ich ja im November 2005 zu spüren bekommen.

Fazit des Klinikaufenthaltes: Mal ganz nüchtern und unabhängig von Dr. Schwarzl und seinen Mitteln und Methoden betrachtet:
Ist es der richtige Weg, einen depressiven, verzweifelten Menschen unmittelbar nach einem Suizidversuch mit Untersuchungshäftlingen und psychisch schwerkranken, teilweise unberechenbar reagierenden Menschen, einzusperren? Tagelang! Keine Gespräche mit psychologisch geschultem Fachpersonal! Kaum frische Luft, wenig Spaziergänge, kein fließend Wasser nach dem Toilettengang! Keinerlei sinnvolle Beschäftigung! Nur an-die-Decke-starren oder Dauerberieselung im TV. Ist das normal? Geht man so mit Patienten um? Ist das adäquate Behandlung, die zu einer Stabilisierung des verzweifelten Patienten und danach zu einer gravierenden Besserung seines Zustandes führt?

Nicht nur in meinem Fall ist mir aufgefallen, dass Prävention eine Vokabel ist, die in Österreich unbekannt zu sein scheint. Man wartet bis das Kind buchstäblich in den Brunnen gefallen ist. Warnende Hinweise und rechtzeitige Informationen werden weitgehend ignoriert und am Ende haben sich dann nicht nur die Probleme schier ausweglos aufgetürmt, sondern auch erheblich höhere Kosten sind entstanden. Seit Mai 2006 habe ich darauf hingewiesen, dass ich ab Herbst in den Minusbereich meines Kontos vorstossen und mir keine Heizöl werde leisten können. 'Erstmal abwarten', 'Ist ja noch so lang hin', 'Bis dahin haben wir eine Lösung gefunden' oder ähnlich banale Kommentare hörte ich immer wieder. Hätte man mich seitens der Behörden rechtzeitig mit einem Zuschuss von vielleicht € 50 bedacht, wäre es nie so weit gekommen. Das heißt: Kein Suizidversuch; Kosten für den Krankenwagen, Polizeieinsatz, Krankenhaus etc. wären eingespart worden.

* * *

In der Psychiatrie geht es um alles - nur nicht darum, den Menschen effizient zu helfen, wie meine Erfahrungen beweisen, aber auch der nebenstehende Artikel zum Gedenktag der Psychiatrietoten unterstreicht.

Nur wenige Tage vor meiner Einlieferung in die 'Sigmund Freud'-Klinik kam es zu einem schweren Zwischenfall im Shopping Center West, nur wenige Meter von der Klinik entfernt. Dazu 'Kleine Zeitung' und 'OK Zeitung': Im Grazer Shopping Center West ist am Dienstagabend ein 23-jähriger Obersteirer Amok gelaufen. Er verletzte zwei Menschen durch Messerstiche in den Rücken. Auch sich selbst fügte er mit dem Messer Verletzungen zu. Der 23-Jährige war auch zum Zeitpunkt der Tat in Anstaltspflege, allerdings in der 'offenen Abteilung' des nahen Landesnervenkrankenhauses. 'Sicher eine Fehlentscheidung der Ärzte', kritisierte die Staatsanwältin im Mai 2007. So kam es, dass der Mann eines Tages Reißaus nahm und ins Shopping Center gelangte. Der Mann fuhr ins Einkaufszentrum, sperrte sich dort im WC ein und drohte damit, sich selbst und andere umzubringen. Seine Schwester und ein Bekannter versuchten, den 23-Jährigen zu beruhigen. Daraufhin ging er mit einem Küchen- und einem Stanleymesser auf sie los. Die beiden konnten nur die Flucht ergreifen. Der 23-Jährige drehte dann laut Polizei völlig durch, lief durch das Einkaufszentrum, schrie herum, stieß Menschen nieder und stürmte in das Verwaltungsbüro. Die Angestellten flüchteten in Panik durch ein ebenerdiges Fenster. Auf dem Weg durch das Shopping Center rammte der Mann schließlich einer 46-jährigen Slowenin und einem 49-jährigen Steirer ein Messer in den Rücken. Die beiden hatten gerade die Schaufenster betrachtet, als sie der Mann von hinten niederstach. Drei Kunden, die Zeugen des Amoklaufes wurden, nahmen die Verfolgung auf und konnten den jungen Obersteirer schließlich überwältigen. Die erste Moral von der Geschicht': Ein gefährlicher Mensch darf sich im offenen Bereich aufhalten und Einkaufszentren aufsuchen; ein harmloser depressiver Patient, der Zuwendung und effiziente Hilfe braucht, wird zehn Tage lang weggesperrt. Und die zweite Moral von der Geschicht': Mit der korrekten Beurteilung von Menschen scheint es in der 'Sigmund Freund'-Klinik nicht weit her zu sein.

Die 'Kleine Zeitung' berichtet am 16. Januar 2008 über einen 19-Jährigen Steirer, der von einer Autobahn-Brücke sprang. Der junge Mann wurde erst einen Tag vorher aus der Grazer 'Sigmund Freud'-Klinik entlassen. Dorthin war er vor einigen Tagen eingewiesen worden, weil er Selbstmordabsichten geäußert hatte. Gestern Vormittag fuhr er von zu Hause weg und kündigte neuerlich einen Selbstmord an. Ein Zeuge: Der junge Mann rannte vor mir über die Fahrbahn und sprang von der Brücke etwa 25 Meter in die Tiefe. Der Augenzeuge verständigte die Polizei und Notarzt und versuchte andere Autofahrer anzuhalten, die aber alle vorbei fuhren. Der lebensgefährlich Verletzte war ansprechbar und wurde schließlich in die Klinik gefahren' Wieder dieses Versagen in der 'Sigmund Freud'-Klinik! Wenn ich das schon höre: Erst vor wenigen Tagen eingeliefert ... In wenigen Tagen kann man keine akuten Probleme lösen! Und: Er kündigte seinen Selbstmord an ... Der Junge war verzweifelt, wollte auf seine verheerende Lage aufmerksam machen und hat keine Hilfe gefunden. Schließlich ist er gesprungen. Statt adäquat zu helfen, wozu diese Klinik verpflichtet gewesen wäre, machen deren Verantwortliche alles nur noch viel schlimmer und auswegloser. Konsequenzen gegen diese Klinik wird es wieder nicht geben. Dort wurde wieder alles richtig gemacht! Und was passiert jetzt? Der Albtraum geht weiter: Nach Ausheilung der Verletzungen wird der Junge wieder in die 'Freud'-Klinik eingeliefert.

1) Die Gaststätte 'Valentino' mit Spielautomaten und Alkoholausschank befindet sich direkt auf dem Gelände der Grazer 'Sigmund Freud'-Klinik. Die Zeitung 'Woche' berichtet am 19. März 2008 über die Folgen dieser Doppelmoral: Traurig, aber wahr: Seit dem Jahr 2002 hat die Zahl der Entzugspatienten in der Steiermark um 1.000 zugenommen und hält jetzt bei sagenhaften 3.800 pro Jahr (Stand 2007): 'Eine Steigerung um 35 Prozent', alarmiert Joachim Berthold, Leiter der Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen in der 'Sigmund Freud'-Klinik. Damit seien die Kapazitäten endgültig erschöpft. Ein Riesenproblem, vor allem wegen der hohen Suizidrate. 'Bei Spielsüchtigen ist sie im Vergleich zur Normalbevölkerung sechsmal höher. So jemanden nach Hause zu schicken, ist alles andere als akzeptabel, passiert aber', so der Experte. In Graz gibt es mehr Spielhöllen als Kindergärten.

I have no desire for death. No suicide ever had.
Die britische Literatin Sarah Kane unmittelbar vor ihrem Selbstmord im Februar 1999

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